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Ruhe vor dem Sturm?

Christoph Hasselbach14. Dezember 2012

Lange hat es keinen so harmonischen EU-Gipfel mehr gegeben. Wichtige Dinge sind angestoßen, größerer Streit blieb aus. Doch bald wird die eigentliche Bewährungsprobe kommen, glaubt Christoph Hasselbach.

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Christoph Hasselbach (Foto: DW)
Christoph Hasselbach, DW-Korrespondent in BrüsselBild: DW

Das Jahr endet für die Europäische Union versöhnlich. Die Staats- und Regierungschefs sind erleichtert, dass mit der Bankenaufsicht und dem jüngsten Teil der Griechenlandhilfe zwei große Streitthemen ausgeräumt sind. Überhaupt ist die große Angst vor dem Zusammenbruch der Währungsunion erst einmal verschwunden. Das liegt aber nicht daran, dass die Politik die Grundprobleme schon gelöst hätte. Der wichtigste Problemlöser hält sich eher im Hintergrund und heißt Mario Draghi. Der Präsident der Europäische Zentralbank hat - mit stillem Einverständnis der meisten Regierungen - bereits im Sommer für Beruhigung gesorgt, als er sagte, die Bank werde zur Not in unbegrenzter Höhe Anleihen von Schuldenstaaten kaufen.

Die relative Ruhe nutzen

Diese relative Ruhe hält bis heute an. Aber man darf sich nicht in Sicherheit wiegen: Sie wird nicht ewig dauern. Die Zeit muss für Reformen genutzt werden. Die EU-Staaten und vor allem die der Eurozone tun das auch. Der neue, dauerhafte Rettungsfonds ESM ist ein solcher Reformbaustein, die geplante Bankenaufsicht ein anderer, der Fiskalpakt mit seiner erhofften Disziplinierung ein dritter. Weitere Schritte sind in Arbeit. Das ist ziemlich viel, gemessen an den sonst quälend langsamen Prozessen und den sehr unterschiedlichen Interessen in der EU.

Die Spannungen nehmen zu

Trotzdem ist nicht sicher, ob es reicht. Den Regierungen läuft die Zeit und manchen das Wahlvolk davon: Die Arbeitslosigkeit steigt fast überall, die Wirtschaftsleistung geht zurück, die Gesamtverschuldung nimmt weiter zu, auch wenn die jährlichen Defizite abnehmen. Menschen in den schwachen Ländern klagen über Bevormundung, die in den starken fühlen sich ausgenommen. Die Spannungen verschärfen sich. Längst überwunden geglaubte nationale Klischees kehren zurück. Niemand kann sagen, wie lange die EU den Konsolidierungskurs noch durchhalten kann, bevor es Volksaufstände gibt. Die Menschen auf beiden Seiten der neuen europäischen Teilung, die vor allem eine Nord-Süd-Teilung ist, müssen sehen, dass sich ihre Opfer lohnen. Aber die Anzeichen gibt es längst: Die Wettbewerbsfähigkeit in den Problemländern nimmt zu, die Exporte steigen. Die Frage ist, ob die Wende zum besseren früh genug kommt.

Der eigentliche Druck kommt von außerhalb Europas

Es gibt keinen leichten Ausweg aus diesem Dilemma. Einfach wieder mit öffentlichem, und im Zweifelsfall fremdem Geld die Nachfrage anzukurbeln, das war das Rezept von gestern, das Europa erst in die Krise geführt hat. Das würde alles nur verschlimmern. Es kommt eher darauf an, dass die Regierungen die Lasten gerechter verteilen. Wenn man sich die massenhafte griechische Steuerflucht ansieht, scheint das nicht überall zu passieren. Der Anpassungsdruck wird jedenfalls bleiben, übrigens nicht nur im Süden. Und er ist leider nötig. Wäre es nicht die Euro-Krise, die nun mehr Wettbewerbsfähigkeit erzwingt, wäre es die Globalisierung. Damit hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Recht, die landauf, landab predigt: Es geht nicht nur um die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder in der EU, es geht vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit ganz Europas gegenüber anderen Teilen der Welt, die viel dynamischer sind. Europa wird weiter zusammen absteigen, wenn es sich dieser Herausforderung nicht stellt. Es kann aber auch zusammen wieder stark werden und aufholen.