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Trumps Steuerreform und Europas Ängste

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Henrik Böhme
21. Dezember 2017

Die Steuerreform des Donald Trump war noch nicht verabschiedet, da läuteten in Europa schon die Alarmglocken. Dabei täte ein wenig Aktionismus á la Trump Europäern wie Deutschen durchaus gut, meint Henrik Böhme.

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USA Donald Trump vor einem "Merry Christmas" Schild
Bild: Reuters/K. Lamarque

Donald Trump hat geliefert. Natürlich ist das alles ein prima Deal, seine große Steuerreform. Sie ist mindestens historisch, entsprechend feiert sich der Präsident auf Twitter. Er hat ja auch allen Grund zufrieden zu sein, denn zu den größten Nutznießern der Reform zählt: er selbst. Oder besser seine "Trump Organization", weil Immobilienunternehmen am stärksten von der Reform profitieren. 

Aber das alles ist bereits auch von meinen Kollegen beschrieben und kommentiert worden. Deshalb soll es hier um die andere Seite des Atlantiks gehen, denn auch hier werden Trumps Steuerpläne ihre Wirkung entfalten: Aber welche genau? Schwer zu beantworten. Oder wie es der oberste Steuerexperte des Siemens-Konzern der FAZ sagte: "Sie wird erhebliche positive oder negative Buchwerteffekte haben." Siemens muss sich die 500 Seiten Gesetzestext sehr genau anschauen, denn das Unternehmen ist stark im US-Geschäft unterwegs. Und wenn deren Steuerexperte dann zu dem Schluss kommt, das Gesetz sei "eine gute Sache", dann fragt man sich schon ein wenig verwundert, warum die Alarmglocken aus Brüssel und Berlin in den vergangenen Tagen so derart schrill geklungen haben.

"Bruch globaler Regeln"?

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Das klang unter anderem so: "Absolute Kampfansage" (Dieter Kempf, Deutschlands oberster Industrielobbyist). "Bruch globaler Regeln für faire Besteuerung" (Brief von fünf EU-Finanzministern an ihren US-Amtskollegen). "Schlecht für Deutschland" (Wirtschaftsforscher Clemens Fuest). "Fulminantes Anheizen des Steuerwettbewerbs" (Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen).

Wir lassen jetzt mal die sicher nicht unberechtigten Argumente der Kritiker an Trumps Reform beiseite, zum Beispiel die, dass Amerikas schon gigantischer Schuldenberg nun noch größer werden wird - und das Trumps Rechnung, die Reform werde sich selbst finanzieren, definitiv (jede Wette!) nicht aufgehen wird. Aber was ist an der Idee schlecht, den Standort USA für ausländische Investoren wieder attraktiver zu machen? Die Steuerkünstler von Apple und Co dazu zu bringen, Gewinne doch bitte künftig wieder (zumindest ein bisschen) zu Hause zu versteuern?

Wenn die Unternehmenssteuern in den USA künftig im Schnitt bei 21 Prozent liegen werden, dann ist das nur genau ein Prozentpunkt weniger als der EU-Durchschnitt. Aber wie das mit dem Durchschnitt halt so ist: In Deutschland liegen diese Steuern bei mehr als 30 Prozent. Und da könnte nun doch der ein oder andere auf die Idee kommen: Go west! Das erklärt den Aufschrei der deutschen Wirtschaftsvertreter.

Wer im Glashaus sitzt…

Und genau deswegen liegt der Ball nun im Feld der Europäer, und damit auch in Berlin. Der Hinweis aus der Wirtschaft ist schon richtig: Die letzte Reform der Unternehmensbesteuerung liegt bereits zehn Jahre zurück. Dass sich seither eine Menge getan hat (Digitalisierung, Industrie 4.0), das dürfte auch der Bundesregierung aufgefallen sein. Aber das ist eben auch das Resultat von acht Jahren Großer Koalition unter einer Kanzlerin, die offenbar nur noch nach dem Motto "Läuft doch, also laufen lassen" agiert. Wenn Unternehmenslenker wie Karl-Erivan Haub (Tengelmann) davon sprechen, Deutschland "wird nur noch verwaltet, aber nicht mehr reformiert", dann trifft das den Nagel auf den Kopf.

Wenn die Europäer Washington nun vorwerfen, die Steuerreform sei ein "unfaires Spiel", weil zum Beispiel Gewinne besteuert würden, die bereits in Europa besteuert wurden (Stichwort: Doppelbesteuerung), und weil man damit Firmen in die USA locken will (um eben diese Doppelbesteuerung zu sparen), dann ist das wie mit dem Glashaus und den Steinen. Denn Länder wie die Niederlande oder Irland gehen ähnlich vor.

Freilich müssen Trumps Pläne jetzt darauf abgeklopft werden, ob sie gegen geltende internationale Vereinbarungen verstoßen oder gegen Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Schließlich hatte sich die Industriestaatengruppe OECD (wozu auch die USA gehören) im Sommer nach zähem Ringen auf ein neues Regelwerk verständigt, um legale Steuerschlupflöcher für multinationale Konzerne zu schließen. Das sollte unbedingt erhalten bleiben, und es funktioniert nur mit den Amerikanern. 

Für Berlin und Brüssel muss Trumps in beeindruckendem Tempo (und sei es mit manchen Tricks und Kniffen) durchgepeitschte Steuerreform ein letzter Weckruf sein. Der Mann meint es ernst. Die Zeit des Durchwurschtelns ist vorbei. Will Europa, will Deutschland ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben, dann muss jetzt gehandelt werden.

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58