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Politik

Kommentar: The show must go on

Marcel Fürstenau2. Juli 2015

Wieder kursieren Meldungen über ausspionierte Politiker und Institutionen. Wieder tun alle überrascht und empört. Die ganze Affäre hat längst Züge einer Tragikomödie. Marcel Fürstenau findet das gar nicht witzig.

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Symbolbild Wikileaks (Foto: dpa/picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gerten

Der Bundesnachrichtendienst hat Barack Obamas Handy abgehört! Das wäre doch mal eine richtig komische Pointe in der seit zwei Jahren schwelenden Affäre um die National Security Agency (NSA). Frei nach dem Motto: Was die NSA kann, kann der BND schon lange. Schön wär's, wird sich die Bundesregierung vielleicht denken. Fakt ist: Die Deutschen sind von den US-Amerikanern abhängig. In Sachen Gefahrenabwehr - Stichwort internationaler Terrorismus - kann in der transatlantischen Zusammenarbeit von Waffengleichheit keine Rede sein. Die NSA hat viel mehr Geld, viel mehr Personal und viel bessere Technologie. Weil das so ist, hat sich der BND anscheinend dazu herabgelassen, dem US-amerikanischen Partner fast bedingungslos zu Diensten zu sein.

Dieser Verdacht tauchte erstmals im Sommer 2013 auf, als der Whistleblower Edward Snowden die Ausspähung der globalen Telekommunikation durch die NSA öffentlich machte. Schnell wurde klar, dass auch der BND seine Finger im Spiel haben muss. Codewörter wie "Prism" oder "Eikonal" machen seitdem die Runde. Hinter solchen kryptischen Begriffen stecken handfeste Skandale wie das Abhören von Angela Merkels Handy. Darüber mochte die mächtigste Frau der Welt wirklich nicht lachen. Vorher hatte sie aber erfolgreich versucht, die NSA-Affäre wegzulächeln. Das Motiv war klar: Deutschland steckte mitten im Bundestagswahlkampf. Merkel wollte Regierungschefin bleiben. Deshalb zog ihr damaliger Kanzleramtschef Ronald Pofalla eine Show ab und erklärte den Skandal für beendet.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Deutsche Welle: Marcel FürstenauBild: DW

Perfektes Timing

Es ist fast schon wieder komisch, dass die Enthüllungsplattform Wikileaks abgehörte Merkel-Telefonate just ins Netz stellt, als Pofalla im NSA-Untersuchungsausschuss aussagen muss. Das kann Zufall sein, aber auch Kalkül. So oder so ist das Timing perfekt, um der transatlantischen Geheimdienst-Story neues Leben einzuhauchen. Der monatelange Streit zwischen Kanzleramt und Parlament über den Umgang mit geheimen Akten hat auch etwas Ermüdendes. Aus Sicht der medialen Enthüller und parlamentarischen Aufklärer ist es deshalb dringend nötig, in der NSA-BND-Affäre immer wieder für Weckrufe zu sorgen.

Die Empörung über das Ausmaß der Spionage wirkt inzwischen bei allen Beteiligten lächerlich. Wenn US-amerikanische (und andere) Geheimdienste ungeniert im Kanzleramt herumspionieren, warum sollten sie dann das Wirtschafts- oder womöglich auch das Verteidigungsministerium links liegen lassen? In diesen Häusern beschäftigt man sich mit Waffenexporten, Rüstungskontrolle, Auslandseinsätzen. Es geht also um Fragen der Sicherheit und Terrorabwehr. Es lässt sich aber auch eine Menge Geld verdienen. Deshalb ist es nur logisch und konsequent, überall zu spionieren.

Merkel auf der Selektorenliste?

Den Zeitpunkt, ehrlich zu werden, hat die Bundesregierung längst verpasst. Gut möglich, dass man im Kanzleramt schon lange vor der Enthüllung Kenntnis von Merkels angehörtem Handy hatte. Vielleicht stehen ihr Name und ihre Nummer auf der Selektorenliste, die den Abgeordneten des NSA-Untersuchungsausschusses auf Teufel komm raus vorenthalten wird. Man stelle sich vor, wie ein BND-Spezialist auf einer NSA-Liste mit Ausspähzielen den Namen der Bundeskanzlerin entdeckt. Wie witzig! Aber irgendwie auch traurig, dass man in dieser Affäre ernsthaft auf solche Gedanken kommen kann. Die Regierung, so scheint es, verfährt munter weiter nach dem in den USA so bliebten Motto: "The show must go on!"