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Kommentar: Serbiens mutiger Schritt nach vorn

24. Juli 2008

Die überraschende Festnahme Karadzics war ein mutiger Schritt der serbischen Regierung. Die Verhaftung zeigt, dass der Druck der EU richtig war, meint Benjamin Pargan.

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Bild: DW

"Keine einzige amtliche Stelle in Serbien weiß, wo Karadzic und Mladic sind." Diese Aussage lieferte noch vergangene Woche der für die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal ICTY zuständige serbische Minister, Rasim Ljajic. Und dann wurde der meistgesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher Europas in einem Belgrader Vorort verhaftet. Alle Gerüchte - wie zum Bespiel: Karadzic würde sich irgendwo in Russland verstecken, oder er wäre nach einer Gesichtsoperation gar nicht zu erkennen - bewiesen sich als Unfug. Sie waren offensichtlich Teil einer gezielten Täuschung der bisherigen serbischen Regierung unter der Führung von Vojislav Kostunica.

Druck auf Serbien weiterhin notwendig

Die Verhaftung hat außerdem gezeigt, dass der Druck der Europäischen Union auf Serbien richtig war. Diesen Druck muss man aufrecht erhalten, und zwar so lange, bis sich Karadzics General Ratko Mladic und der Führer der kroatischen Serben Goran Hadzic in den Zellen des UN-Tribunals in Den Haag befinden. Bisher waren nicht alle EU-Länder standhaft, wenn es darum ging, kompromisslos die Verhaftung aller Angeklagten zu verlangen und das als Hauptvoraussetzung für eine Annäherung Serbiens an die EU festzuschreiben. Nur Belgien und die Niederlande lehnten eine Anwendung des bereits unterzeichneten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens der EU mit Serbien ab. Hoffentlich bleiben diese Länder konsequent und bestehen nach wie vor darauf, dass alle mutmaßlichen Kriegsverbrecher ausgeliefert werden müssen.

Allerdings muss die internationale Gemeinschaft die neue Regierung Serbiens aktiv unterstützen. Die überraschend erfolgte Festnahme war ein mutiger Schritt nach vorne. Bei allem Lob darf man aber nicht vergessen, dass bis zum Ziel noch zwei wichtige Schritte fehlen. Denn nur so kann das dunkle Kapitel der neueren serbischen Geschichte aufgearbeitet werden. Und das ist nicht nur für Serbien wichtig.

Endlich Gerechtigkeit?

Im benachbarten Bosnien-Herzegowina warten die Familienmitglieder der Opfer von Karadzics Schergen seit fast 13 Jahren auf Gerechtigkeit. Den Müttern von Srebrenica wird Karadzics Festnahme ihre Söhne und Ehemänner nicht zurückbringen. Aber die Gewissheit, dass die Gerechtigkeit nach langer Zeit doch gesiegt hat, wird ihnen sicher helfen, ihr Leid leichter zu ertragen. Auf dem Balkan kursierten nämlich seit Jahren Gerüchte, es gebe einen Deal mit Karadzic: Für einen Rückzug aus der Politik würde ihm Freiheit garantiert. Mit der Festnahme hat man nun den bosnischen Opfern das verloren gegangene Vertrauen in die so genannte internationale Gemeinschaft ansatzweise zurückgegeben, obwohl viele diesen Deal noch immer für möglich halten.

Nun könnte aber der aus Montenegro stammende Psychiater mit unangenehmen Wahrheiten einige internationale Protagonisten der letzten Balkantragödie in eine erhebliche Erklärungsnot bringen. Dies wird aber helfen, die letzten Balkankriege aufzuarbeiten, auch wenn nicht alle damit glücklich sein werden.

Benjamin Pargan