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Schwieriger Prozess, mildes Urteil

Koepp Dirke Kommentarbild App
Dirke Köpp
28. September 2015

In Stuttgart wurden zwei ruandische Milizenführer verurteilt, die von Deutschland aus den Krieg im Kongo befehligt haben. Einer der Verurteilten ist bereits wieder auf freiem Fuß. Das ist empörend, meint Dirke Köpp.

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Deutschland Prozess gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher der ruandischen Rebellenorganisation FDLR
Bild: picture-alliance/dpa/D. Calagan

Ein viel beachteter Prozess ist mit einem vergleichsweise milden Urteil zu Ende gegangen: Am Montag hat das Oberlandesgericht Stuttgart zwei ruandische Milizenführer wegen Massakern an der Bevölkerung in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zu Haftstrafen von 13 und acht Jahren verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni von Deutschland aus per Satellitentelefon, SMS und E-Mail Befehle an die FDLR-Miliz im Osten der DRK gegeben haben und damit mitschuldig sind am Tod von Zivilisten dort.

Die FDLR (zu Deutsch: "Demokratische Kräfte für die Befreiung Ruandas") gilt als Nachfolgeorganisation der ruandischen Hutu-Armee, die 1994 für den Völkermord in Ruanda verantwortlich war. Nach dem Ende des Völkermordes flohen Hutu-Kämpfer in den benachbarten Kongo. Ihr Ziel: den ruandischen Staat zu destabilisieren. FDLR-Kämpfer terrorisieren bis heute die lokale Bevölkerung, morden, vergewaltigen, plündern. Wer einmal mit Opfern der FDLR gesprochen hat, weiß, dass diese Miliz zu allem fähig ist und kein Mitleid kennt. Kongolesen, die von Journalisten gebeten wurden, das Urteil zu kommentieren, weigerten sich, ihren Namen zu sagen - aus Angst.

Erster Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch in Deutschland

Angst - das war eines der Probleme des Prozesses: Zeugen konnten nur anonymisiert vernommen werden, da die FDLR bis dato im Kongo ihr Unwesen treibt. Der Prozess war der erste in Deutschland, der nach dem Völkerstrafgesetzbuch geführt wurde: Das Gericht sollte klären, inwieweit Murwanashyaka, der als Chef der Miliz galt, und sein Stellvertreter Musoni für diese Verbrechen verantwortlich gemacht werden können.

Allerdings hat dieser erste Prozess auch gleich die Schwierigkeiten eines solchen Verfahrens aufgezeigt - Schwierigkeiten, mit denen auch die Prozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag behaftet sind: Wie soll ein Richter über etwas urteilen, das sich rund 6000 Kilometer entfernt, in einer nur schwer zugänglichen Region abgespielt hat? Wenn es nicht einmal eine "Tatort-Begehung" gibt? Wie soll er die Glaubwürdigkeit von Zeugen einschätzen, die unter Druck gesetzt werden oder Angst haben? Am Ende musste der weitaus größere Teil der Anklagepunkte aus Mangel an Beweisen fallen gelassen werden. Und das, obwohl Ignace Murwanashyaka sich in Interviews mit der Deutschen Welle offen damit gebrüstet hatte, Chef der FDLR zu sein. Im Prozess wollte er davon nichts mehr hören, gab vor, die FDLR-Soldaten seien eine "souveräne" Organisation, denen auch er als Präsident nichts habe befehlen können.

Dirke Köpp
Dirke Köpp leitet das Französische Programm der DWBild: DW

Schwer vereinbar mit der deutschen Prozessordnung

Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Stuttgart kritisierte selbst, dass ein derartiges Mammutverfahren mit Auslandsbezug sich mit der deutschen Prozessordnung nicht vereinbaren lasse. Doch was wäre die Alternative gewesen? Eine Auslieferung der beiden Angeklagten nach Ruanda, ein Land mit oft zweifelhafter Rechtspraxis? Nein. Nach dem deutschen Werteverständnis haben auch Mörder Anspruch auf einen fairen Prozess. Hinzu kommt, dass es wichtig war zu zeigen, dass Täter, Mittäter und Rädelsführer auch in Deutschland nicht sicher sind vor Strafe.

Empörend ist allerdings, dass der verurteilte Rädelsführer Straton Musoni nun wegen der langen Dauer des Verfahrens gleich nach dem Urteil in die Freiheit entlassen wurde. Es sei nach rund sechs Jahren im Gefängnis "unverhältnismäßig", ihn noch länger in Haft zu belassen. Ob die Opfer des FDLR-Terrors im Kongo dafür Verständnis haben? Denn "unverhältnismäßig" ist vor allem eines: Dass die Opfer lebenslang unter dem leiden werden, was die FDLR ihnen angetan hat.

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