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Kommentar: Schwierige Koalitionssuche nach slowakischem "Jein"

Vladimir Müller 18. Juni 2006

Der Sozialdemokrat Robert Fico kündigte bei der Parlamentswahl ein "Zurück zur Menschenwürde" und zu sozialistischen Ideen an, und bekam damit knapp 30 Prozent der Wählerstimmen. Ein Kommentar von Vladimir Müller.

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Robert Fico erklärte seinen Sieg im slowakischen RadioBild: AP

Wer eine eindeutige Antwort auf die beherrschende Frage dieser Wahl erwartete - sollen die radikalen Wirtschaftsreformen weiter gehen wie bisher oder nicht? - bleibt enttäuscht. Denn die Slowaken haben am Samstag (17.6.2006) mit einem klaren "Jein" gestimmt: Der Favorit hat zwar gesiegt: Die linksgerichtete "Smer" mit dem Vorsitzenden Robert Fico wird im nächsten slowakischen Parlament ein Drittel der Sitze bekommen. Mit dem Versprechen, die radikalen Wirtschaftsreformen der bisherigen Mitte-Rechts-Regierung teilweise zurückzunehmen, ist es dem 41-jährigen Juristen gelungen, die Verlierer der Reformen - die sozial Schwachen - für sich zu gewinnen.

Besser als erwartet

Als echte Überraschung gilt allerdings das Ergebnis der "Slowakischen Christlichen und Demokratischen Union". Statt zwölf Prozent - wie vorhergesagt - haben für die Partei des regierenden Ministerpräsidenten Mikulas Dzurinda mehr als 18 Prozent der Wähler gestimmt. Zusammen mit der konservativen katholischen Partei KDH und der Partei der ungarischen Minderheit SMK hat der rechte Block der Reformer also gleich viele Stimmen wie die linke "Smer"-Partei.

Zum Regieren reicht es aber für beide nicht. Sie brauchen weitere Verbündete. Paradoxerweise steht da zunächst für beide Seiten der eigentliche Verlierer der Wahl zur Verfügung: Vladimir Meciars "Bewegung für eine demokratische Slowakei" (HZDS). Vor vier Jahren noch die stärkste Partei, fiel die HZDS auf nur 8,8 Prozent zurück. Als Zünglein an der Waage könnte nun Meciar, der in den 1990er Jahren die Slowakei durch seinen autokratischen Regierungsstil außenpolitisch isoliert hat, der sich aber in der letzten Zeit sehr milde gibt, die künftige Regierungsbildung entscheidend beeinflussen.

Wen holt die "Smer" sich ins Boot?

Nur: Neben Meciar braucht die linke "Smer" noch einen zweiten Partner, um im Parlament eine Mehrheit zu haben. Es könnte die nationalistische SNS werden, die mit rund zwölf Prozent der Stimmen als drittstärkste Kraft aus der Wahl hervorging und nach vier Jahren wieder ins Parlament einziehen wird. Die Partei, die nach Jahren interner Streitigkeiten und Spaltungen wieder zusammenfand, ist wahrlich keine Zierde der Demokratie: mit primitiven Ressentiments betreibt sie Hetze gegen die Minderheit der Ungarn und der Roma in der Slowakei. Es wäre ein weiteres Paradox, wenn die "Smer", die sich als sozialdemokratisch versteht, eine solche Partei mit ins Boot nähme.

Denkbar ist aber auch ein Zusammengehen der drei rechten Parteien - Dzurindas Christdemokraten, der katholischen Konservativen und der ungarischen Partei - mit Meciars HZDS. Diese mutierte in den vergangenen Jahren von einer linkspopulistischen zu einer rechten Partei und steht programmatisch der bisherigen Koalition am nächsten: Bereits in den letzten Monaten vor der Wahl half Meciars HZDS der auseinanderbrechenden Regierungskoalition bei Verabschiedung mehrerer Gesetze im Parlament.

Bitte nichts, was wehtut

Trotzdem scheint zunächst die linke "Smer" zum Zuge zu kommen - Staatspräsident Ivan Gasparovic hat bereits angekündigt, Fico mit der Bildung der künftigen Regierung zu beauftragen. Es bleibt abzuwarten, was sich von Ficos Wahlversprechen über Rücknahme der Reformen einerseits und Verbesserungen der Sozialleistungen und anderen Geschenken andererseits im Regierungsprogramm wiederfindet, und vor allem, was später auch umgesetzt wird.

Der Wählerauftrag deutet auf Kompromisse hin: Bitte keine neuen Reformen mehr, die wehtun, aber auch keine grundsätzliche Änderung jener Reformen, die bereits eingeführt wurden.