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Kommentar: Schwarze und weiße Wahrnehmung

Spencer Kimball Kommentarbild
Spencer Kimball
23. Juli 2015

Der Tod von Sandra Bland wirft erneut ein Schlaglicht auf den Zusammenhang von Hautfarbe und Polizeigewalt in den USA. Nach Ansicht von Spencer Kimball leben Schwarze und Weiße noch zu sehr in getrennten Welten.

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Sandra Bland (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa/Waller County Sheriff's Office

Die Rassentrennung in den USA ging vor einem halben Jahrhundert zu Ende, aber vielerorts leben schwarze und weiße Amerikaner noch wie in zwei getrennten Ländern. Wir laufen uns in der Öffentlichkeit über den Weg und manchmal auch am Arbeitsplatz. Wir sind höflich und nett zueinander - so wie Fremde zueinander sein sollten. Doch am Ende des Tages kommen wir zu oft aus ganz unterschiedlichen Wirklichkeiten oder kehren dahin zurück. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.

Ich wuchs in einem kleinen Ort im Bundesstaat Kentucky auf, von Cincinnati gerade über den Ohio-Fluss. In der mittelgroßen Stadt Cincinnati ist die eine Hälfte der Bevölkerung weiß, die andere schwarz. Aber in meinem kleinen Ort würde man nie auf die Idee kommen, dass die Rassen in der Stadt ungefähr gleich stark vertreten sind. Auf meiner High School gab es nur eine Handvoll schwarzer Kinder.

Vielerorts kaum Kontakt

Ich stamme aus einer ethnischen Enklave, einer wohlhabenden und privilegierten. Als Kind hatte ich so gut wie keinen Kontakt zu Schwarzen und dem, was sie in Amerika erleben. So ist es nicht überall. Aber es ist noch an zu vielen Orten genau so. Ich denke, das macht es leichter, die Spaltung über die Fragen nach der Rasse und der Polizei im Land zu erklären - jüngst im Fall von Sandra Bland.

Bland, eine 28-jährige schwarze Frau, wurde in Texas angehalten, weil sie den Blinker nicht benutzt hatte. Sie war wütend darüber, weigerte sich auszusteigen, wurde mit einem Elektroschocker bedroht, mit Gewalt aus dem Wagen geholt und festgenommen. Das alles ist auf einer Videoaufnahme zu sehen. Später wurde Bland tot in ihrer Zelle gefunden. Laut Behörden war es Selbstmord. Es gibt Berichte, dass sie an Depressionen litt und schon früher einen Selbstmordversuch unternommen haben soll. Wir erhalten dazu immer neue Informationen.

Spencer Kimball
DW-Redakteur Spencer KimballBild: DW

Ich kann mir vorstellen, wie viele Weiße reagieren. Warum war sie auch so unflätig zu dem Polizeibeamten? Warum folgte sie nicht einfach den Anweisungen, als sie angehalten wurde? Diese Argumente habe ich bereits in den Fällen von Michael Brown und Eric Garner gehört - zwei unbewaffnete Schwarze, die von Polizisten getötet wurden.

Viele Schwarze dürften eine ganz andere Sicht auf die Verkehrskontrolle haben und ganz andere Fragen stellen. Warum ging der Polizeibeamte so brutal gegen eine unbewaffnete Frau vor? Wäre ein Weißer überhaupt angehalten und während eines Streits so hart körperlich angegangen worden? Vor allem, warum endete das alles mit Sandra Blands Tod in einer Gefängniszelle? Wir haben eine andere Wahrnehmung, wir fühlen und reagieren unterschiedlich, weil wir sehr unterschiedliche Erfahrungen in dieser nach Rassen geteilten Nation gemacht haben.

Aber das ist die Realität: Schwarze haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, in Armut und ohne Job zu leben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Krankenversicherung haben, ist geringer. Bei ihnen werden wahrscheinlich öfter bestimmte Krankheiten diagnostiziert, und sie sterben auch eher daran. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie eingesperrt oder von der Polizei getötet werden.

Schwarze als Bedrohung gesehen

Das ist so, weil Schwarze als Sklaven ins Land gebracht wurden und sie seit dem Bürgerkrieg und ihrer Befreiung systematisch marginalisiert und als Bedrohung weißer Vormacht gesehen werden. Das war früher offenkundiger und ist nun subtiler. Weiße Amerikaner wie ich sind die Nachfahren europäischer Einwanderer. Sie hatten Möglichkeiten, die sich den Schwarzen in der Geschichte nicht geboten haben: Land erwerben, ein Gewerbe erlernen und seinen Wohlstand weitervererben. Vereinfacht gesagt: die USA wurden ursprünglich für Weiße aufgebaut - aber Menschen neigen nicht dazu, ihre angehäufte Macht abzugeben.

Solange wir diese historische Ungerechtigkeit zwischen den Rassen nicht ernsthaft ansprechen und korrigieren, werden wir weiter in einer nach Rassen getrennten Nation leben, in der Schwarze weniger Möglichkeiten haben, dem amerikanischen Traum zu leben. Und so lange das die Wirklichkeit in Amerika ist und wir als Nation nicht wirklich überzeugt sind, dass auch das Leben von Schwarzen zählt, so lange haben wir nicht das Recht, uns die großartigste Nation der Welt zu nennen.

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