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Politik

Punktsieg für Merkel

27. August 2017

Der SPD-Herausforderer wirft der Kanzlerin im TV-Interview vor, "entrückt" zu sein. So redet einer, dem die Argumente ausgehen und der sich mit seiner Niederlage insgeheim abgefunden hat, glaubt Marcel Fürstenau.

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Deutschland SPD Programmparteitag in Dortmund | Martin Schulz
Bild: picture alliance/dpa/M. Probst

Zunächst die Fakten - vier Wochen vor der Bundestagswahl 2017: Die Unionsparteien CDU und CSU liegen in Umfragen knapp unter der 40-Prozent-Marke. Die SPD schafft es gerade so über die 20-Prozent. Im jüngsten Deutschlandtrend vom 25. August steht es in diesem Duell 38:22 für Angela Merkels Lager. Deprimierende 16 Prozentpunkte liegt ihr Herausforderer Martin Schulz also zurück. Vor diesem Hintergrund gaben die Spitzenkandidaten den beiden großen öffentlich-rechtlichen TV-Sendern ARD und ZDF getrennte Sommer-Interviews.

Trotz des seit Monaten stabilen Rückstands inszenierte sich Schulz in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" kämpferisch. Etwas anderes bleibt dem SPD-Spitzenkandidaten auch gar nicht übrig. Aber wer genau hinhörte, konnte keine neuen Botschaften entdecken. Härte zeigen gegenüber der Türkei, ein Plädoyer für Verbrennungsmotoren bei Autos inklusive Diesel, bessere Bildung. Alles bekannte Positionen, die im Kern auch von der Union vertreten werden.

Beim Thema Sicherheit setzt sich die Union in Szene

Verzweifelt sucht die SPD, sucht Schulz eine Angriffsfläche. Aber es gibt keine, die in der breiten Öffentlichkeit also solche wahrgenommen wird. Beim Thema Innere Sicherheit setzen beide auf Härte. Wobei die Union den Vorteil hat, mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die in Wahlkampfzeiten besonders wirksamen Auftritte hinlegen zu können: am vergangenen Mittwoch das Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung tatverdächtiger Krimineller mit Hilfe von Videokameras im öffentlichen Raum. Einen Tag später das Verbot der linksextremistischen Website "linksunten.indymedia.org".

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW

Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass beides zu Beginn der heißen Wahlkampf-Phase passierte. Schon vor der parlamentarischen Sommerpause hatte Merkel betont beiläufig die Weichen dafür gestellt, dass - gegen Widerstände in der eigenen Partei - die sogenannte Homoehe gesetzlich beschlossen werden konnte. Damit verlor die SPD das letzte emotional besonders aufgeladene Thema, mit dem sie Merkel hätte unter Druck setzen können.    

Die Kanzlerin abgehoben? Wohl kaum!

Und weil Schulz bei Sachfragen die Munition ausgegangen ist, schießt er sich jetzt auf Merkel persönlich ein. Die Leute hätten den Eindruck, sie sei "entrückt" und "abgehoben", wetterte er im TV-Sommerinterview. Wirklich? Wenn dem so wäre, müsste der Herausforderer doch populärer sein als die Kanzlerin. Das Gegenteil ist der Fall. Könnte in Deutschland die Regierungschefin respektive der Regierungschef direkt gewählt werden, wäre Schulz ausweislich der Umfragen ebenfalls chancenlos.

Kurzum: Da versucht einer, der im Kampf um das Kanzleramt auf verlorenem Posten steht und das auch weiß, mit persönlichen Angriffen auf die Amtsinhaberin das Ruder herumzureißen. Ein Versuch, der scheitern muss. Angesichts des großen Vorsprungs, den die Union vier Wochen vor der Bundestagswahl hat. Aber auch, weil die meisten Menschen solche Attacken ablehnen. Jedenfalls wenn sie nicht mit konkreten Beispielen begründet werden. Und die blieb Schulz schuldig. Derweil konterte Merkel den Angriff ihres Herausforderers souverän: "Ich glaube, dass ich mich den Menschen stelle", sagte die Kanzlerin im Sommerinterview mit der ZDF-Sendung "Berlin direkt".

Die SPD denkt mit Schrecken an 2009

Am 3. September kommt es zum einzigen direkten Schlagabtausch, dem sich die beiden im TV stellen. Sie freue sich auf das Fernseh-Duell, sagte Merkel. Eine Behauptung, die man ihr abnehmen kann. Sie hat im Gegensatz zu Schulz nur wenig zu verlieren. Für ihren chancenlosen Herausforderer kann es nur noch darum gehen, in den Augen möglichst vieler Wählerinnen und Wähler beim Showdown im Fernsehen die bessere Figur abzugeben. Bei den getrennt durchgeführten Generalproben hatte Merkel die Nase vorn. 

Schulz bleiben lediglich zwei bescheidene Hoffnungen: dass er noch viele Unentschlossene von sich überzeugen kann. Und dass er besser abschneidet als Frank-Walter Steinmeier 2009. Der amtierende Bundespräsident erzielte damals als Kanzlerkandidat das für die SPD historisch schlechte Ergebnis von 23 Prozent. Wenn es ganz miserabel läuft für Schulz, wird am 24. September sein Name mit diesem Makel versehen sein.                  

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