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Kommentar: Schlechte Zeiten für den Liberalismus in Deutschland

Marcel Fürstenau22. April 2012

Die FDP könnte die Stimme der Freiheit sein. Sie ist es aber nicht, meint DW-Korrespondent Marcel Fürstenau. Die Partei sei personell und programmatisch ausgezehrt, befindet er.

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Kommentar Deutsch

Jubel für den Fraktionsvositzenden im Deutschen Bundestag, Jubel für den ehemaligen Generalsekretär und Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, höflicher Applaus für den Parteivorsitzenden. Rainer Brüderle und Christian Lindner haben die Herzen und die Köpfe der Liberalen erreicht, Philipp Rösler nicht. Vom FDP-Parteitag in Karlsruhe geht ein merkwürdiges, ja ein fatales Signal aus: Der Chef hat keinen Rückhalt mehr, die wirklich starken Männer sitzen nicht in der Berliner Zentrale, sondern im Bundestag und Mitte Mai vielleicht im Düsseldorfer Landtag.

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann der erst seit knapp einem Jahr amtierende FDP-Vorsitzende seinen Stuhl räumen muss. Sollten die Liberalen bei den anstehenden Wahlen am 13. Mai in Nordrhein-Westfalen und eine Woche vorher in Schleswig-Holstein an der Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament scheitern, wäre Rösler nicht mehr zu halten. Aber auch erfolgreiche Landtagswahlen würden nur einen Aufschub für den 39-Jährigen bedeuten, weil er sie nicht für sich persönlich reklamieren könnte. Sie wären in erster Linie Triumphe für die Spitzenkandidaten Christian Lindner und Wolfgang Kubicki, die einen betont personen- und landesbezogenen Wahlkampf führen. Das ist auch nötig, weil der FDP auf Bundesebene seit dem Führungswechsel im Mai 2011 weder ein Imagewechsel noch ein Stimmungsumschwung gelungen ist.

Rösler erinnert an Westerwelle

Unter dem langjährigen und betont selbstbewussten Partei-Chef, Außenminister Guido Westerwelle, war immer nur von Steuersenkungen die Rede. Das wollte sein Nachfolger ändern - mit mehr Themen und leiseren Tönen. Nach elf Monaten an der FDP-Spitze ist Rösler programmatisch und persönlich gescheitert. Fast schon nervtötend propagiert er wirtschaftliches Wachstum als neue liberale Wunderwaffe. Wie sein Vorgänger setzt auch er alles auf eine thematische Karte, und sogar rhetorisch erinnert Rösler zuweilen an Westerwelle, wenn er fehlenden inhaltlichen Tiefgang mit lautstarken Angriffen auf den politischen Gegner auszugleichen versucht.

Dieser Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten war wohl auch der entscheidende Grund für Christian Lindners plötzlichen Rücktritt vom Amt des Generalsekretärs im vergangenen Dezember. Eine inhaltliche Begründung für seine Entscheidung ist der 33-Jährige schuldig geblieben. Dass ein noch vor vier Monaten parteiintern Gescheiterter nun der größte Hoffnungsträger der FDP ist, stellt dem deutschen Liberalismus ein schlechtes Zeugnis aus. Denn er ist programmatisch und personell offensichtlich ausgezehrt. Daran ändert auch das auf dem Parteitag beschlossene neue Programm nur wenig. Denn so sehr darin die Kraft der Freiheit politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich beschworen wird, mit dieser FDP ist kein Staat zu machen. Das ist schade, weil der Liberalismus in Deutschland keine ernstzunehmende Stimme hat. Die anderen Parteien kommen dafür schon gar nicht infrage.