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Mit "Schweinchen" gegen illegales Schweinefleisch

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Juri Rescheto
30. Juli 2015

Präsident Putin will alle Produkte vernichten lassen, die trotz Importverbot in Russland auftauchen. Welch Verschwendung in einem Land, in dem jeder Sechste arm ist, sagt DW-Korrespondent Juri Rescheto.

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Europa Lebensmittel Schinken Spanien Importverbot Russland
Bild: picture-alliance/dpa/A. Vilf

Hrjuscha war mein Freund. Er sagte mir jeden Abend “Gute Nacht!” mit seiner heiseren Hrjuscha-Stimme. Hrjuscha war ein Schwein. Ein Schweinchen. Ein wohlgenährtes, freches und sehr sympathisches Schweinchen aus der sowjetischen Kindersendung “Gute Nacht, ihr Kleinen!” Aber das ist lange her. Heute ist er immer noch frech, aber mir persönlich unsympatisch. Warum?

Der Hrjuscha von heute trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift “Iss das Russische!”, rennt durch Lebensmittelläden und schnüffelt nach Käse. Oder Äpfeln. Oder Schweinefleisch. Vorausgesetzt es handelt sich um italienischen Mozzarella, polnische Jonagold-Äpfel oder spanischen Serrano-Schinken. Denn die sind in Russland verboten. Sanktioniert. Und Hrjuscha passt auf, dass sie niemand isst!

“Hrjuschas” nennen sich junge Aktivisten der Bewegung “Iss das Russische!”, die vom Kreml finanziert wird und eine Unterabteilung der größeren patriotischen Jugendbewegung “Nashi” (“Die Unsrigen”) darstellt. Ihre neueste Aktion soll helfen, westliche Lebensmittel, die auf der russischen Sanktionsliste stehen und auf illegalen Wegen in die russischen Supermärkte gelangen, aus eben diesen Supermärkten wieder zu verbannen. Dafür kleben die wohlgenährten Patrioten ihre selbstgemachten großen Warnschilder mit einem Bär drauf auf die bunten westlichen Verpackungen. Der Bär guckt böse und warnt: “Das ist ein sanktioniertes Produkt!”

Dass ihre Warnschilder dabei glatt als Lockschilder und damit als Werbung für Qualitätsware aus Italien, Polen oder Spanien dienen könnten, stört sie nicht. Sie sind stolz darauf, dass der Staat sie unterstützt. In diesem Jahr haben die “Hrjuschas” - die “Schweinchen” also - einen Zuschuss in Höhe von sechs Millionen Rubel aus einer Präsidentenstiftung erhalten, das sind umgerechnet 100.000 Euro. Viel Geld.

Natürlich ist die Hrjuschas-Aktion ein lustiger PR-Gag - in erster Linie für die “Schweinchen” selbst. Ein PR-Gag im vorauseilenden Gehorsam der kremltreuen jungen Menschen.

Kein PR-Gag dagegen ist der Präsidentenerlass, alle sanktionierten Lebensmittel sofort zu vernichten, sobald sie in Russland auftauchen. Egal ob in Lebensmittelläden - was eher schwierig umzusetzen wäre - oder direkt an der Grenze - was einfacher sein soll, weil am 6. August dafür sogar extra Öfen aufgestellt werden. Der Erlass tritt an genau dem Tag in Kraft.

Schade! Weniger um Janagold, Mozarella oder Serano, sondern vielmehr um arme Menschen, denen man diese und andere Lebensmittel einfach schenken könnte. Denn verboten sind sie ja nicht, weil sie schlecht schmecken oder ihr Verfallsdatum abgelaufen ist. Oder weil sie den ominösen russischen Hygienestandards zum Ofer fallen, die in der Vergangenheit immer mal wieder vorgeschoben wurden, um ungewollte Produkte aus unliebsamen Nachbarländern zu verbannen. Wie zum Beispiel während des Georgien-Konflikts das georgische Mineralwasser “Borzhomi”. Oder wie die Pralinen aus dem Hause "Roschen", die seit Beginn des Ukraine-Konflikts aus den Läden verschwanden.

Dabei steigt in Russland die Zahl armer Menschen immer schneller. Nach Angaben des Instituts für Sozialpolitik an der Higher School of Economics sind die Verbraucherpreise innerhalb dieses Jahres bereits um durchschnittlich 20 Prozent gestiegen. 23 Millionen Russen leben unter der Armutsgrenze, das ist jeder sechste Bürger. Der Traum vom Importersatz durch die einheimische Landwirtschaft bleibt bisher ein Traum. Dafür sollen aber bald die bösen westlichen Produkte brennen, aufgespürt von wachsamen Zöllnern oder patriotischen “Schweinchen”. Wenn sie nicht vielleicht doch woanders landen... Wer weiß, ob nicht bald an der Grenze ein paar neue Kioske aufmachen. Mit dem bösen Mozarella. Hrjuscha würde das gefallen. Dem spitzbübischen Schweinchen aus der Kindersendung von früher. Dem Hrjuscha von heute wohl nicht.

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Juri Rescheto Chef des DW-Büros Riga