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Rosetta war Rock'n Roll

Hartl Judith Kommentarbild App
Judith Hartl
30. September 2016

Mit Rosetta geht eine lange und faszinierende Raumfahrtmission zu Ende. Sie zeigt: Wir Menschen können Unvorstellbares leisten und mit Visionen vermeintliche Grenzen des Möglichen pulverisieren, meint Judith Hartl.

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Screenshot ESA Video Wake up Rosetta EINSCHRÄNKUNG
Bild: ESA

Mission erfüllt, Sonde erfolgreich auf Kometen zerschellt. Abschiedssignal erhalten, letztes Bild an Erde gefunkt. Aus. Bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt jubeln die Forscher, es ist ein Tag unterschiedlichster Emotionen. Tränen fließen, Astrophysiker, sonst nüchtern, sachlich, logisch, trauern. Um eine Raumsonde und ihren Landeroboter Philae.

Uns allen, die sich seit Jahren mit der Mission beschäftigen, ist Rosetta ans Herz gewachsen. Ebenso der Komet, der aussieht wie eine Ente, offiziell Tschurjumow-Gerassimenko heißt, aber auch von seriösen Wissenschaftlern liebevoll Tschuri genannt wird.

Rosetta als Plüschtier

Nicht zu vergessen Philae, der Landeroboter, der vor zwei Jahren in einem spektakulären Manöver von Rosettas Rücken geradewegs auf Tschuri gehüpft war. Das Entsetzen war groß, als Philae zwei ungeplante Hopser tat und schließlich aus dem Blickfeld der Forscher verschwand. Erst vor ein paar Wochen entdeckte Rosetta ihn, fand ihn angeschlagen in einer Felsspalte, knipste ein Foto und sendete es zur Erde. Auch da waren der Jubel und die mediale Begeisterung überwältigend.

Sie lachen? Dann werden Sie aus dem Kopfschütteln vielleicht nicht mehr herauskommen, wenn ich Ihnen sage, dass es Rosetta aus mintgrünem Plüsch - mit süßem Lächeln im "Gesicht" gibt, Philae zum Selberbasteln und Tschuris aus irgendeinem weichen Material (haben wir übrigens alles in unserer Redaktion). Nicht zu vergessen die entzückenden (wissenschaftlichen) Zeichentrickfilmchen, die die Mission erklären. Auf YouTube wurden diese Videos hunderttausende Male geklickt.

Faszinierend wie die Mondlandung

Rosetta war Rock'n-Roll, sagt Matt Tylor, der Chefwissenschaftler der Rosetta-Mission. Ein Astrophysiker, 43 Jahre, lange Haare, Bart, tätowiert am ganzen Körper, ein cooler Typ, zehntausende Follower auf Twitter, mit denen er seine Begeisterung teilt.

Und die Chefin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Pascale Ehrenfeld, resümiert, dass Rosetta und Philae gezeigt hätten, wie Raumsonden unseren Horizont erweitern und die Öffentlichkeit begeistern könnten.

Deutschland Judith Hartl, Leiterin Wissenschaftredaktion DW
Judith Hartl ist Leiterin der WissenschaftsredaktionBild: privat

Genau das ist den Wissenschaftlern gelungen: Ein Raumfahrtprojekt, das reine Grundlagenforschung ist, auf eine emotionale Ebene zu bringen und die Millionen Kilometer weite Reise eines Metallsatelliten und eines klobigen Roboters den Menschen auf der Erde nahe zu bringen.

Es war so spannend wie die Mondlandung, als Philae vor zwei Jahren auf dem Kometen landete. Auch diesmal war es faszinierend zu sehen, was wir Menschen schaffen können, wozu wir technisch in der Lage sind. Es war packend, live mitzuverfolgen, wie eine Raumsonde in 510 Millionen (!) Kilometern Entfernung gestochen scharfe Bilder von einem Kometen und seiner Oberfläche schoss. Fast so als seien es Urlaubsbilder aus einer Wüstengegend. Es war mitreißend, zu erleben, wie ein Roboter (fast) punktgenau auf einem gerade mal 4 × 3,5 × 3,5 Kilometer großen Kometen landete.

Zugegeben, ich hätte nicht erwartet, dass es klappen würde. Ich bekam Gänsehaut, mir kamen die Tränen, ich war gebannt wie schon lange nicht mehr. Diese Mission hat mir gezeigt: Wir Menschen können Enormes schaffen. Wir können Unvorstellbares real werden lassen, wir können absurd erscheinende Visionen wahr werden lassen und vermeintliche Grenzen des Möglichen pulverisieren. Wenn wir - wie es das internationale Rosetta-Team zwölf Jahre lang getan hat - zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen, immer das gemeinsame Ziel vor Augen.

Danke Rosetta, love you!

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