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Rettet das Asyl!

8. August 2015

Die steigenden Flüchtlingszahlen sorgen für Diskussionen in Deutschland. Dabei wird das Recht auf politisches Asyl ausgerechnet von denen bedroht, die ein Bleiberecht für alle fordern, meint Christoph Hasselbach.

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Demonstranten mit Spruchband 'Bleiberecht für alle' (Foto: imago/Eibner)
Bild: imago/Eibner

In jüngster Zeit kommen aus der deutschen Politik immer neue Vorschläge, Asylbewerber in Arbeit zu bringen. Die Neuankömmlinge sollen möglich früh für sich sorgen können. Das würde den Behörden Kosten sparen, die Flüchtlinge integrierten sich leichter in die deutsche Gesellschaft, und die deutsche Wirtschaft würde profitieren. So lauten die Argumente. In eine ähnliche Richtung geht der jüngste Vorschlag der SPD: Menschen vom Westbalkan sollten nicht über das Asylsystem einreisen - die Anträge werden in den allermeisten Fällen abgelehnt. Stattdessen sollten sie ein Arbeitsvisum erhalten, wenn sie einen Arbeitsvertrag mit einer Bezahlung mindestens in Höhe des Mindestlohns vorweisen könnten.

Kaum Abschiebungen

Das alles klingt nicht nur vernünftig, sondern vor allem menschlich. Allen Vorschlägen gemeinsam ist allerdings, dass sie das Asylrecht letztlich aushöhlen: Wenn Asylbewerber, deren Asylgrund noch gar nicht anerkannt ist, wie das Wort "Bewerber" ja schon ausdrückt, bereits in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integriert werden, nimmt man eine positive Asylentscheidung gewissermaßen vorweg. Daraus ergibt sich dann schnell ein Daueraufenthalt.

Das kann man wollen. Aber man muss sich zumindest über die Konsequenzen klar sein: Es hat sich längst herumgesprochen, dass die meisten Flüchtlinge in Deutschland bleiben können, selbst wenn sie zuhause gar nicht politisch verfolgt werden. Viele Flüchtlinge verzichten deswegen gleich auf einen Asylantrag mit dem Kalkül, er sei überflüssig, wenn nicht hinderlich auf dem Weg zu einem Aufenthalt in Deutschland. Auf eine einfache Formel gebracht: Wer es hierher schafft, egal, aus welchem Land und unter welchen Umständen, darf in der Regel bleiben. Das wirkt wie ein Magnet.

Christoph Hasselbach (Foto: DW)
DW-Redakteur Christoph Hasselbach

Abschiebungen finden längst nicht in dem Maße statt, wie sie der Ablehnungsquote entsprechen müssten. Im vergangenen Jahr 2014 gab es rund 200.000 Asylanträge, gut zwei Drittel wurden abgelehnt, aber nur etwa 11.000 Menschen wurden in ihre Herkunftsländer zurückgeführt. Auch wenn man bedenkt, dass manche freiwillig zurückgehen und dass auch Duldungen - also ausgesetzte Rückführungen - in den Zahlen enthalten sind, ist die Diskrepanz immer noch beträchtlich.

Wozu ein Asylverfahren, wenn jeder bleiben kann?

Die Großzügigkeit im Umgang mit dem Asylrecht entspricht einem allgemeinen Klima in großen Teilen der Politik und der Medien - ob auch in der Bevölkerung, ist nicht ganz klar. Es gibt eine Menge Zustimmung, aber auch - das zeigt sich vor allem im Netz - hasserfüllte Ablehnung von immer mehr ungesteuerter Zuwanderung.

Es geht nicht darum, den fremdenfeindlichen Gefühlen von Teilen der Bevölkerung nachzugeben. Aber man muss schon fragen, warum man eigentlich ein Asylverfahren hat, in dem jeder Bewerber individuell seinen Asylanspruch nachweisen muss und das sich allein auf politische Verfolgung stützt, wenn der Ausgang dieses Verfahrens entweder bedeutungslos ist oder wenn das Asylverfahren erst gar nicht stattfindet. Wenn wir ohnehin jeden Flüchtling aufnehmen, können wir uns den ganzen langwierigen Prozess auch sparen. Ähnlich steht es mit der Debatte um ein Einwanderungsgesetz: Solange wir ungeregelte Einwanderung haben, brauchen wir über ein Einwanderungsgesetz gar nicht zu diskutieren.

Akzeptanz erhalten

In der Flüchtlingsdebatte ist es besonders leicht, sich aufs hohe Ross der Moral zu setzen. Aus menschlichem Mitgefühl würde man gern niemanden abweisen. Doch die Akzeptanz in der Bevölkerung ist nicht unbegrenzt. Die Flüchtlingszahlen dürften über Jahre sehr hoch bleiben. Wenn erst einmal ärmere Deutsche auf dem Wohnungsmarkt mit Flüchtlingen konkurrieren oder wenn es bei der nächsten Wirtschaftskrise eine Konkurrenz um Arbeitsplätze gibt, könnte es mit der vielbeschworenen Willkommenskultur schnell vorbei sein. Um die Akzeptanz zu erhalten, müssen wir das Asylrecht heute retten, indem wir auf seine Regeln bestehen.

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Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik