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Kommentar: Reisen bildet

Matthias von Hein28. Juni 2014

Mit Zhang Zhijun besucht erstmals ein hoher chinesischer Politiker offiziell Taiwan und erkennt: Die Insel ist vom Festland nicht nur geographisch getrennt, sondern auch kulturell. Matthias von Hein kommentiert.

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Zhang Zhijun und Chen Chu 27.06.2014
Bild: Reuters

Gerade einmal drei Stunden dauerte der Flug von Peking nach Taiwan für Zhang Zhijun, den Leiter des Pekinger Amtes für Taiwan-Angelegenheiten. In gewisser Weise haben diese drei Stunden Flug den bislang höchsten offiziellen Gast aus der Volksrepublik in der Inselrepublik zugleich in die Zukunft katapultiert: In eine mögliche demokratische Zukunft. Denn Zhang Zhijun (Artikelbild, mit der Bürgermeisterin von Kaohsiung) besucht ein China, dass es nach Pekinger Maßstäben eigentlich nicht geben dürfte: Eines, in dem er demonstrierenden Menschen begegnet. Solchen, die ihn bejubeln und solchen, die gegen ihn sind.

Er erlebt eine lebendige, funktionierende Demokratie, hervorgegangen aus einer Ein-Parteien-Diktatur, die es geschafft hat, sich politisch zu reformieren. Er besucht ein Land, in dem es seit den ersten freien Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 mehrfach Regierungswechsel gegeben hat. Zhang sieht ein Land, in dem im März Studenten aus Protest gegen ein Wirtschaftsabkommen mit der Volksrepublik das Parlament besetzten. Hunderttausende unterstützten die Studenten. Nach drei Wochen gingen die Proteste friedlich zu Ende. Der Gast aus Peking bereist ein Land, das all diese Formen der freien Meinungsäußerung aushält, das eine freie Presse hat, das gelernt hat, Interessenkonflikte auf friedlichem Wege auszutragen.

Hongkong und Taiwan gehen eigene Wege

Man kann nur hoffen, dass Zhang es ernst meint, wenn er sagt, die Menschen vom Festland respektierten den Weg, den die Taiwaner gewählt haben. Noch im vergangenen Oktober hatte sich Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ungeduldig geäußert: Eine politische Lösung der Taiwan-Frage könne nicht ewig aufgeschoben werden. Und vor zwei Wochen hatte die Sprecherin von Zhang Zhijuns Amt für Taiwan-Angelegenheiten erklärt: Über Taiwans Zukunft müssten alle Chinesen entscheiden, nicht nur die Einwohner Taiwans.

Matthias von Hein, Leiter der China-Redaktion der DW (Foto: DW)
Matthias von Hein, Leiter der China-Redaktion der DWBild: DW

Übrigens die gleiche harte Rhetorik, die auch in Richtung Hongkong zum Einsatz kommt. Dort waren die Organisatoren eines Online-Referendums über mehr Demokratie in der "Sonderverwaltungszone" von ihrem eigenen Erfolg überrascht worden. Mehr als 700.000 Menschen hatten sich beteiligt. Vom Festland kam heftige Kritik: Das Referendum sei eine "unrechtmäßige Farce", schrieb etwa die staatliche Zeitung "Global Times". Und auch hier hieß es, die Zukunft von Hongkong läge in den Händen der 1, 3 Milliarden Chinesen und nicht allein in denen der Hongkonger. Deutliche Zeichen für das Misstrauen und die Nervosität, mit denen Peking auf demokratische Regungen in Hongkong und auch auf Taiwan schaut.

Charmeoffensive Pekings

Gemessen daran muss man die Reise Zhangs als Charmeoffensive begreifen. Denn während seiner vier Tage auf der Insel hat Zhang sich auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft getroffen, auch mit Politikern, die der Opposition nahestehen oder sogar der Unabhängigkeitsbewegung. Zhang gab sich bescheiden und lernwillig. Er sagte, seine Erfahrungen ließen ihn die Haltung der Taiwaner bezüglich der Beziehungen zum Festland besser verstehen.

Es scheint, als habe Peking eingesehen, dass Druck gegenüber Taiwan nur die dortige Unabhängigkeitsbewegung stärkt. Und da Taiwan demokratisch ist, wird dort in zwei Jahren ein neuer Präsident gewählt. Der vermutlich aussichtsreichste potenzielle Bewerber um die Nachfolge von Ma Ying-jeou von der Kuomintang bringt sich bereits in Stellung: Als Bürgermeister von Taipei besucht Kuomintang-Vize Hau Lung-bin bis Sonntag Peking - und trifft dort auch ein Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros.