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Politik

Piep, piep, piep - wir haben uns alle lieb!

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Kay-Alexander Scholz
11. Juli 2017

Angesichts des nahenden Wahltages tun CDU und CSU nun wieder so, als seien sie beste Freunde. Doch das Zukleistern von grundlegenden Konflikten ist keine nachhaltige Politik, meint Kay-Alexander Scholz.

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Auftakt Klausur CSU-Landesgruppe
Entspannte Stimmung zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und der CDU-Vorsitzenden Angela MerkelBild: picture alliance/dpa/N.Armer

Verfassungsklage! Keine Koalition ohne eine Obergrenze für Flüchtlingszahlen! So klang es noch zu Jahresbeginn von den Christsozialen aus Bayern. Und nun? Friede, Freude, Eierkuchen, wie man in Deutschland so sagt. An die damaligen Worte von Horst Seehofer, dem Vorsitzenden der Schwesterpartei von Angela Merkels CDU, wollte man im Kloster Banz bei einer Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten zum Wahlkampfauftakt am liebsten gar nicht mehr erinnert werden. "Wortklauberei" sei das, sagte Joachim Hermann, der als nächster Bundesinnenminister gehandelt wird.

Die Idee dahinter: Erst einmal die Bundestagswahlen gewinnen. Dafür, das wissen die Unionsparteien, muss man geeint auftreten. Doch ist der Streit wirklich austherapiert? Auf keinen Fall, würde wohl jeder professionelle Coach sagen. Dafür waren die Verletzungen zu groß - auf beiden Seiten. Erinnert sei zum Beispiel an die Parteitags-Standpauke, die sich Angela Merkel von Seehofer auf offener Bühne anhören musste.

Flüchtlingskrise: Noch keine Entwarnung!

Nun gut, bis zur Wahl dürfte der Frieden in der Tat halten. Danach aber könnte es schnell wieder zum Streit kommen. Denn die Flüchtlingssituation ist längst noch nicht so "geschafft", wie die Unionsparteien es derzeit vermitteln wollen.

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Kay-Alexander Scholz ist Korrespondent im Hauptstadtstudio

Die wirkliche Integration in den Kommunen beginnt ja gerade erst. Dabei ereignen sich immer wieder sehr unschöne Dinge, wie für jeden festzustellen ist, der einen regelmäßigen Blick in die Regionalpresse wirft. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist deutlich komplizierter als gedacht. Die Rückführung abgelehnter Asylbewerber wird nur tröpfchenweise vollzogen. Und was wird eigentlich mit denjenigen, denen nur für drei Jahre Schutz in Deutschland gewährt wurde, und die dann, falls in Syrien bis dahin Frieden herrscht, dorthin zurück müssen? Die CSU jedenfalls will das so.

Und damit nicht genug: Weitere hunderttausende neue Flüchtlinge könnten noch im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland kommen. Die Idee einer EU-weiten Lastenteilung bei der Flüchtlingsaufnahme hingegen scheitert bis auf weiteres am Widerstand der Osteuropäer. So wie ja auch die Italiener gerade wieder mit dem Problem der über die zentrale Mittelmeerroute kommenden Migranten mehr oder weniger allein gelassen werden.

Ziel: AfD klein halten

Ein wenig vertraut die bayerische Schwesterpartei von Angela Merkels CDU wohl auf den Nachbarn im Süden: Österreich. Der dortige Außenminister und ab Herbst wahrscheinlich neue Kanzler, Sebastian Kurz, hat schon einmal harte Maßnahmen ergriffen und war im vergangenen Jahr eine der treibenden Kräfte, als kurzerhand die Balkanroute abgeriegelt wurde. Für die Fluchtroute über das Mittelmeer hat er jetzt Vergleichbares angekündigt. In Rom wurde bereits der österreichische Botschafter einbestellt, weil in Wien offen über Soldaten und Panzer am Brennerpass gesprochen wurde, dem zentralen Grenzübergang zwischen Italien und Österreich. Er habe keine Angst, sich die Finger schmutzig zu machen, sagt Kurz in vielen Interviews. Merkel und Seehofer sollten ihm eigentlich Dankes-Tweets senden.

Zentral ist für die Unionsparteien, die Rechtspopulisten von der AfD klein und am liebsten ganz raus aus dem Bundestag zu halten. Doch gerade unter diesem Aspekt müsste eigentlich viel mehr Klartext gesprochen werden. Die „Alles ist gut“-Attitüde mag zwar als wirtschaftspolitische Bilanz berechtigt sein. Aber die Wähler haben kein so kurzes Gedächtnis, wie es mancher Politiker aus rein taktischen Gründen hat. Und dass die Herausforderungen durch die weiterhin hohe Zahl an Flüchtlingen aus islamischen Ländern sowie Afrika nicht einfach von heute auf morgen gelöst sein werden, wissen die Bürgerinnen und Bürger sehr genau.

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