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Kommentar: Partei polarisiert - Romney verliert

Christina Bergmann, Washington DC19. September 2012

Es ist vor allem die polarisierende, extrem konservative Politik der Republikaner, die ihren Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney in Schwierigkeiten gebracht hat, meint USA-Korrespondentin Christina Bergmann.

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Mitt Romney ist eigentlich ein intelligenter Mensch. Wer mit jenen spricht, die ihn seit Jahrzehnten kennen, der erfährt, dass er einen schwierigen Studiengang bestanden und in den Jahren bei der Finanzfirma Bain Capital tatsächlich hart gearbeitet hat. Und außerdem, dass er sich als geistlicher Vorstand seiner mormonischen Gemeinde fürsorglich um die Menschen gekümmert hat. Romney gilt zudem als Analytiker, der sorgfältig Für und Wider abwägt und eher vorsichtige Entscheidungen trifft.

Doch diese Intelligenz, dieses Mitgefühl, diese Sorgfalt sind ihm offensichtlich irgendwann abhanden gekommen. Wie sonst ist zu erklären, dass er Präsident Obama eine "beschämende Reaktion" auf die Angriffe gegen die US-amerikanische Botschaft in Bengasi vorwirft - ohne wissen zu können, was genau passiert ist, und zudem die wenigen bekannten Fakten verdrehend. Auch von seinen viel gelobten Managerqualitäten ist derzeit wenig zu sehen: Seine Wahlkampfberater machen einen Fehler nach dem anderen. Dazu gehört, dass Romney in seiner Nominierungsrede auf dem Parteitag in Tampa den Krieg in Afghanistan und die kämpfenden Truppen mit keinem Wort erwähnt hat, und dass er auf der hastig einberufenen Pressekonferenz nach dem jüngsten Fauxpas die Sache mit den "47 Prozent der Amerikaner, die abhängig sind vom Staat" noch schlimmer machte, statt sie aus der Welt zu räumen.

Die Botschaft: Keine Ahnung vom Leben der Amerikaner

Nicht vergessen sind seine Aussagen, seine Frau würde ein "paar Cadillacs" fahren, er würde sich "um die Armen keine Sorgen machen" (die seien ja durch staatliche Hilfen abgesichert) und dass er "nicht viel Geld mit Reden verdiene" – "nicht viel" sind in seinem Fall über 370.000 Dollar in einem Jahr. Die Nachricht, die bei vielen Wählern ankommt, lautet: Der Mann ist nicht nur reich, er hat auch keine Ahnung, unter welchen Bedingungen die Mehrheit der Amerikaner leben muss. Wasser auf den Mühlen von Präsident Obama und seinem Wahlkampfteam.

Dabei bietet Obamas Politik genug Angriffspunkte, angefangen bei der hohen Arbeitslosigkeit über das weiter steigende Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung bis zum Stillstand im Nahostkonflikt und den Atomverhandlungen mit dem Iran. Doch das Romney-Team schafft es nicht, den Wahlkampf auf das Thema zu fokussieren, bei dem Romney bisher eine höhere Kompetenz eingeräumt wurde als Obama: Wirtschaft und Arbeitsplätze.

Überziehen, dass sich die Fakten biegen

Doch noch etwas anderes wird durch Romneys Patzer deutlich: Der Präsidentschaftskandidat ist es offenbar inzwischen gewohnt, die jeweilige Ansicht seiner Zuhörer zu vertreten und dabei im Zweifelsfall die Fakten außer Acht zu lassen. Auf dem Weg zur Präsidentschaftsnominierung hat Romney sich von nahezu allen früheren Positionen verabschiedet. Von Abtreibung über staatliche Krankenversicherung, von gleichgeschlechtlicher Ehe bis zur Einwanderung: Bei allen Themen ist er erheblich nach rechts gerückt, um es der republikanischen Basis recht zu machen. Kein Wunder, dass er dabei manchmal so sehr überzieht, dass sich die Fakten biegen.

Die Führung der republikanischen Partei muss sich derzeit die Haare raufen. Aus einer vermeintlich guten Startposition für die Präsidentschaftswahl ist Romney durch die vielen unnötigen Fehler in die permanente Defensive gedrängt. Und auch wenn die jüngsten Eskapaden viele Stammwähler nicht von ihrer Ansicht abbringen werden: Wechselwähler werden sich zweimal überlegen, bei wem sie das Kreuz machen. Schon liegt Präsident Obama in den jüngsten Umfragen zum Beispiel im umkämpften Bundesstaat Virginia vorne.

Doch die Konservativen haben sich das PR-Desaster selbst zuzuschreiben. Wenn sie die Politik an den Auffassungen des extremen Flügels der Partei ausrichten, reflexartig jegliche Kompromisse ablehnen, den kurzfristigen Sieg bei einer Wahl über das Wohl der Nation stellen und die Hälfte des Landes ausgrenzen, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn die Wähler entsprechende Konsequenzen ziehen.