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Orientierungsgröße statt Obergrenze

Kiesel Heiner Kommentarbild App
Heiner Kiesel
24. September 2016

Horst Seehofer und seine CSU kämpfen mit ihrer Forderung nach einer Flüchtlings-Obergrenze auf verlorenem Posten. Die Zeit, dies einzusehen wird langsam knapp, meint Heiner Kiesel.

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Hände von Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa/U. Anspach

Das Beste, was einem passieren kann, wenn man in einer No-win-Situation steckt, ist, dass sich nichts weiterbewegt. Dann kann man zwar nach wie vor nicht gewinnen, aber man hat auch noch nicht wirklich verloren. Insofern ist es verständlich, dass sich der Vorsitzende der CSU, Horst Seehofer, nach einem Gespräch mit der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel als "ausgesprochen zufrieden" darstellt. Ergebnisse hat es in der strittigen Frage, wie und ob die Flüchtlingszahlen zu deckeln sind, nicht gegeben. Vielleicht auch, weil sie tatsächlich nicht über dieses Kernthema der aktuellen Politik gesprochen haben. Das kann aber nicht so bleiben, denn der Druck für die Unionsparteien bei diesem Problem zueinander zu finden, wächst.

Kraft bündeln für den Wahlkampf 2017

Die CSU hält ihren Parteitag im November ab, die CDU kurz darauf Anfang Dezember. Sowohl Merkel als auch Seehofer müssen dann ihrem Parteivolk ein starkes Signal geben, dass die Unionsparteien zusammengehören. Alles andere würde einen gemeinsamen Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr erheblich erschweren und den Boden für weitere gegenseitige Kritik bereiten. Der zusätzliche Nebeneffekt wäre, dass genau diese Uneinigkeit den populistischen Kräften im Parteienspektrum Auftrieb verleiht.

Dazu passt eine neue Hiobsbotschaft: Nach letzten Umfragen wird die Alternative für Deutschland (AfD) inzwischen schon bei 16 Prozent gesehen. Das ist bereits halb so viel, wie die Demoskopen für die Union insgesamt angeben und - so sollte man es in München sehen - mehr als doppelt so viel, wie die CSU bei der letzten Bundestagswahl an den Urnen eingefahren hatte, wenn man ihr Ergebnis auf ganz Deutschland umlegt.

Heiner Kiesel
Heiner Kiesel, DW-Korrespondent in Berlin

Der "Unsinn" einer zahlenmäßigen Begrenzung

Die CDU-Chefin Merkel hat in ihren selbstkritischen Statements nach der desaströsen Berlin-Wahl immer wieder klar gemacht, worin sie das größte Problem mit den Wählern sieht: in der Kommunikation. Man habe nach anfänglichen Fehlern vieles richtig gemacht, die Erfolge seien da, aber man habe die Botschaft nicht gut vermittelt. Für Seehofer und seine CSU ist da die geforderte "Obergrenze" für den Flüchtlingszuzug genau das richtige Mittel, um zu punkten. Die Zahl 200.000 ist richtig schön konkret und lässt sich leicht vermitteln. Und wenn Bayerns Innenminister Joachim Herrmann auch noch erklärt, dass bei so vielen - eben maximal 200.000 pro Jahr - die "Registrierung, Unterbringung und Integration" gerade noch möglich sei, dann klingt sie auch sachlich richtig.

Weil diese fixe Begrenzung ethisch-moralisch sowie völkerrechtlich fragwürdig bleibt, will sich die CDU allem Anschein nach gar nicht ernsthaft damit beschäftigen. "Unsinn" nennt Parteivize Volker Bouffier eine zahlenmäßige Begrenzung. Aber der CDU-Politiker und hessische Ministerpräsident hat schon eine Idee, wie seine Partei mit den Christlich-Sozialen aus Bayern zusammenkommen könnte. Er findet den Begriff der "Orientierungsgröße" ganz aussichtsreich. Den hatte zuvor die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt eingebracht. Das wäre dann zwar auch eine Zahl, aber die ist dann so schwammig, dass es nicht weh tut, wenn sie einem vor die Füße fällt. Seehofer gefällt die Sache noch nicht, aber es könnte für ihn der einzige Weg sein, aus der unseligen Diskussion um die Obergrenze herauszukommen, ohne das Gesicht zu verlieren. Die AfD-anfälligen Wähler wären dann zwar immer noch nicht überzeugt, aber der notwendige Schulterschluss mit der Partei der Kanzlerin wäre möglich.

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