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Politik

Einen neuen EU-Kommissar, bitte!

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
29. Oktober 2016

Dieser Tropfen bringt das Fass "Oettinger" zum Überlaufen. Mit seiner unsäglichen Rede in Hamburg schadet der EU-Kommissar seinem Amt und sich selbst. Ablösen bitte, meint Bernd Riegert.

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Günther Oettinger
Bild: picture-alliance/dpa

Günther Oettinger hat wie jeder andere Mensch auch das Recht auf freie Meinungsäußerung. Er darf sich über die Frauenquote, die Ehe von Homosexuellen und Chinesen lustig machen. Er darf versuchen, satirische Kritik zu üben. Er könnte sich sogar an Schmähkritik abarbeiten wie der ZDF-Künstler Jan Böhmermann. Das alles könnte Günther Oettinger öffentlich machen, wenn er Komiker wäre. Ist er aber nicht.

Oettinger ist EU-Kommissar. Er vertritt die Europäische Union nach außen und ist deutscher Verbindungsmann in Brüssel. Deshalb muss er sich beherrschen können und seine Worte wägen. Im kleinen Kreis in Brüssel redet der schrullige Schwabe gerne wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Dabei entweicht ihm auch manch flacher Witz und ätzende Kritik an der Großen Koalition in Berlin oder Miteuropäern im Raumschiff Brüssel. Dass er öffentlich in Deutschland so redet ist neu. Und es ist dumm und unpassend.

Riegert Bernd Kommentarbild App
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Aus den bekannt gewordenen Redefragmenten gleich zu konstruieren, dass der verdiente Politiker Günther Oettinger ein Rassist, Sexist und Schwulenhasser sei, ist maßlos überzogen. Der Oettinger, den wir in Brüssel erleben, ist kein Rassist, sondern ein gewissenhaft arbeitender Eurokrat, der halt einfach nicht reden kann und schon gar nicht unterhaltsam öffentlich reden kann. Er hat Ecken und Kanten, ist kein aalglatter Phrasenautomat wie andere EU-Kommissare. Die Gedankensprünge sind manchmal schwer nachzuvollziehen. Manches Wort verunglückt zum Gebrabbel. Sollte ein Mann wie Oettinger, der seinen politischen Zenit überschritten hat, weiter in der EU-Kommission sitzen und jetzt gar noch das Amt des Finanzkommissars übernehmen? Nein.

Mit seiner seltsamen Rede hat er bewiesen, dass seine Zeit abgelaufen ist. Die Bundesregierung sollte Entschlossenheit zeigen und einen Ersatz für den ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten nach Brüssel schicken. Bundeskanzlerin Angela Merkel, seine Parteivorsitzende, ist Oettinger nichts mehr schuldig. Der Einfluss Oettingers auf die CDU im Südwesten ist geschwunden. Die CDU hat in Baden-Württemberg andere Sorgen als sich für den drauflos faselnden Oettinger zu verwenden: Sie kämpft gegen Grüne und Rechtspopulisten. Zeit für einen neuen Anfang also.

2007 wäre Günther Oettinger beinahe auch schon einmal über die "richtigen Worte zur richtigen Zeit" (Zitat: Die Welt) gestolpert. Damals geriet seine relativierende Trauerrede für den ehemaligen Nazi-Richter und seinen Amtsvorgänger in Baden-Württemberg, Hans Filbinger, zum Fiasko. Erst eine Rüge von Bundeskanzlerin Merkel brachte Oettinger dazu, seine peinlichen Patzer richtig zu stellen.

Kandidaten für den Posten eines EU-Kommissars gibt es genug. Sollte in der Großen Koalition die SPD zum Zuge kommen, wäre der scheidende Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, der richtige Mann. Sollten die Konservativen den Personalvorschlag machen wollen, wäre zum Beispiel David McAllister, CDU-Europaabgeordneter aus Niedersachsen, sehr gut geeignet. Ein frisches Gesicht aus Deutschland würde der EU-Kommission nicht schaden und Deutschlands Ansehen in Brüssel sicher gut tun. Tut mir leid, Herr Oettinger. Sie haben den Bogen überspannt.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union