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Chancen auf Frieden?

Seda Serdar Kommentarbild App
Seda Serdar
28. Juli 2015

Präsident Erdogan hat den Friedensprozesses mit den Kurden aufgekündigt. Seda Serdar fragt sich, ob die Verhandlungen zwischen Ankara und der kurdischen Minderheit nun tatsächlich am Ende sind.

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Der türkische Präsident Tayyip Erdogan (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/A. Altan

Vor dem Selbstmordanschlag in Suruc steckte die Regierungspartei AKP in Koalitionsverhandlungen mit allen politischen Parteien. Aber Suruc veränderte alles. Alle blicken nun auf den aktiven Kampf gegen den "Islamischen Staat" und auf die zeitgleichen Vergeltungsaktionen gegen die Terrororganisation PKK, die ihrerseits nun auch innerhalb der Türkei Anschläge verübt.

Die gemäßigte pro-kurdische Oppositionspartei HDP wird zu Recht dafür kritisiert, dass sie wegen der Angriffe der PKK nicht öffentlich aufschreit. Die Anschläge der PKK erinnern an den Konflikt in den 1990er-Jahren. Niemand wünscht sich diese Zeit der täglichen Unsicherheit und der vielen Todesopfer zurück. Deshalb ist eine Lösung für den schon so lang anhaltenden Konflikt entscheidend. Aber es ist kein Geheimnis, dass der Friedensprozess schon vor Erdogans klarer Aufkündigung an diesem Dienstag Risse bekommen hatte.

Präsident Erdogan fordert die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Kurdenpolitikern, die Verbindungen zu Terrorgruppen unterhielten - eine klare Anspielung auf die HDP-Führung. Der Vorsitzende der gemäßigten HDP, Selahattin Demirtas, erklärte daraufhin selbstbewusst, alle 80 Abgeordneten seiner Partei hätten beantragt, ihre politische Immunität aufzuheben. Diese Auseinandersetzung schürt die Diskussion und bringt die Türkei von einer Lösung weiter weg.

Frage der Stabilität

Auf der einen Seite missbraucht die AKP mit solchen Provokationen die aktuelle Situation in der Türkei. Das alles in der Hoffnung, dass die Stimmen der HDP schon bald wieder ihr gehören könnten, falls es zu schnellen Neuwahlen kommt.

Auf der anderen Seite ist die impulsive Reaktion von Demirtas - so clever sie auch auf den ersten Blick scheinen mag - kein Beitrag zu politischer Stabilität im Land. Die Forderungen der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) nach einem Verbot der HDP helfen ebenso wenig weiter.

Seda Serdar (Foto: dw)
Seda Serdar, Leiterin der türkischen Redaktion

Doch während die türkische Agenda von Schuldzuweisungen beherrscht wird, gehen die Koalitionsverhandlungen im Stillen weiter. Die Republikanische Volkspartei (CHP) und die AKP trafen sich bereits zum zweiten Mal zu Verhandlungen. Falls es zu einer Übereinkunft kommen sollte, wird schon bald eine Koalition gebildet. Falls nicht, dann kommt es zu baldigen Neuwahlen. Ein Plan, den die AKP schon länger verfolgt.

Denn die AKP war nicht erfreut über den Ausgang der Wahlen im Juni und ihrem Sturz vom Thron als alleinige Regierungspartei. Nun diskutiert die Türkei verzweifelt über die nächsten Schritte im Friedensprozess. Doch alle Parteien müssen sich nun beruhigen und sich auf den nächsten wichtigen Schritt konzentrieren: eine funktionierende Koalition.

Die Parteichefs müssen nun an die Zeit vor den Wahlen zurückdenken – an die gemeinsame Ablehnung der AKP und die damit verbundene Hoffnung auf Veränderung. Mit anderen Worten, der Friedensprozess muss erst dann diskutiert werden, wenn eine neue Koalition gebildet ist. Dann müssen nicht nur diejenigen zur Verantwortung gezogen werden, die den Terror unterstützen, sondern auch alle die sich Korruption und anderer illegaler Aktivitäten schuldig gemacht haben.