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Herr Präsident: Was wollen Sie?

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Juri Rescheto
26. November 2015

Das Treffen zwischen Putin und Hollande lässt hoffen, dass der Kampf gegen den IS vorangeht. Aber die Frage nach Assads Verbleib an der Macht bleibt ein Stolperstein. Juri Rescheto sagt: Schade - für alle Beteiligten.

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Wladimir Putin
Bild: picture alliance/AP Images/A. Druzhinin

Wir haben gewettet. Um guten Rotwein aus Frankreich.

Wie lange lässt Wladimir Putin seinen Gast diesmal warten? Halbe Stunde? Stunde? Anderthalb?

Wir haben verloren. Verspätet kam der Gast selbst - Frankreichs Präsident Hollande. Warten musste Putin. Ungewöhnlich für den russischen Präsidenten - aber auch irgendwie passend, wenn man bedenkt, wer von wem etwas wirklich will.

Eine echte, enge, entschieden agierende Koalition, eine Achse der Guten auf Augenhöhe: Moskau-Washington-London-Paris, angeführt von den Russen. Das war, das ist und das bleibt Wladimir Putins Traum, seit er vor der UN-Vollversammlung in New York versöhnliche Töne gegenüber dem Westen anschlug.

Einer bombt, keiner lobt

Ein paar Tage später ließ der Kremlchef Bomben auf Syrien fallen und wunderte sich aufrichtig, warum die Welt ihn nicht verstand. Statt Anerkennung und Lob kamen Häme und Argwohn. Der Westen rätselte über die wahren Motive der Russen. Der Wunsch nach Respekt blieb unerfüllt.

Die Anschläge von Paris änderten die Lage. Russland streckte dem Westen die Hand aus. “Wir müssen mit den Franzosen zusammenarbeiten und sie als Verbündete betrachten”, befahl Putin seinen Generälen - und sprach vielen seiner Landsleute aus dem Herzen. Denn ungeachtet der massiven Propaganda gegen den Westen fühlen sich die meisten Russen eher europäisch als asiatisch. Und Frankreich war immer ein Traum.

Auch in Russland: "Nous sommes Paris"

Und so kam es zu einer echten Solidarität mit den Franzosen, als die Terroristen in Paris viele Menschen töteten. Und so war auch der Schock über die Anschläge dort fast größer als das Entsetzen über den Abschuß einer russischen Passagiermaschine in Ägypten. Die Russen trauerten aufrichtig, vereint im Unglück mit Europa. Die Chance für einen gemeinsamen Kampf gegen den Terror war wieder da, trotz aller politischer Differenzen.

Dann aber kam ein Schlag. Der Schlag ins Gesicht - oder der Stoß in den Rücken, wie Putin ihn selbst nennt. Ausgerechnet die befreundete Türkei schoss den russischen Militärjet ab, "heimtückisch", sagte Putin und sprach von Verrat. Der Vorfall im syrisch-türkischen Grenzraum drohte zu einem Funken zu werden, der, so fürchtete man plötzlich, Schlimmeres entfachen könnte. Fast wäre Moskau erneut an den Rand gedrängt gewesen, vom Westen isoliert. Dem Westen, mit dem es gegen den IS kämpfen wollte.

Juri Rescheto (Foto: DW)
Juri Rescheto, DW-Korrespondent in Moskau

"Lieber Wladimir"

Dass es dann anders kam, das ist Putins Traum zu verdanken. Dem Traum von einer starken Koalition gegen den IS. Und zu verdanken ist es auch Hollandes Entschlossenheit, diese Koalition mit den Russen einzugehen. "Francois" und "lieber Wladimir", wie sich die beiden in Moskau öffentlich nannten, machten einander Zugeständnisse.

Hollande sprach vom IS und anderen Terroristen, die bekämpft werden müssen - Moskaus Ziel von Anfang an. Putin wiederum versprach, gemäßigte Assad-Gegner, die ebenfalls gegen den Terror kämpfen, in Ruhe zu lassen. Nur in einer Sache blieben die Fronten verhärtet: Assad. Mehr als deutlich machte Putin seine Auffassung, dass ohne den syrischen Staatschef kein Kampf gegen den IS zu gewinnen ist. Mehr als deutlich machte Hollande seine Sicht, dass Assad gehen muss.

Dieser Unterschied könnte allen Verbrüderungswillen zunichte machen. Und Wladimir Putin weiter warten lassen: Auf die nächste Gelegenheit, mit dem Westen auf Augenhöhe zu sein.

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Juri Rescheto Chef des DW-Büros Riga