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Kommentar: Mit der Brechstange

Stefan Nestler11. Dezember 2013

Das letzte Rennen der Formel-1-Saison wird ab 2014 doppelt gewertet. Eine von vielen unsinnigen oder fragwürdigen Reformen in der Formel 1, findet DW-Sportredakteur Stefan Nestler.

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Alle Rennen sind gleich, eines ist gleicher. So könnte man die Reform beschreiben, die der Welt-Automobil-Verband FIA für die Formel-1-Saison 2014 beschlossen hat: Der letzte Grand Prix des Jahres, der in Abu Dhabi ausgefahren wird, zählt doppelt. Der Sieger erhält also 50 Punkte statt wie bisher 25. Hätte es diese Regel schon vorher gegeben, wäre 2012 nicht Sebastian Vettel, sondern Fernando Alonso Weltmeister geworden, 2008 Felipe Masse statt Lewis Hamilton, 2003 Kimi Räikkönen statt Michael Schumacher.

Porträt DW-Sportredakteur Stefan Nestler. Foto: DW/Per Henriksen
Stefan Nestler, DW SportBild: DW

Gemeinsam gegen einen

Mit dieser Regel wollen FIA-Präsident Jean Todt und Formel-1-Boss Bernie Ecclestone das Saisonfinale spannender machen. Dass der Weltmeister schon vor dem letzten Rennen feststeht, wie in diesem Jahr Sebastian Vettel, soll möglichst verhindert werden. Ganz offenkundig ist die Formel 1 ihren Impresarios durch die Dominanz Vettels zu langweilig geworden. Also helfen Todt und Ecclestone - und alle Teams, die für die Reform gestimmt haben - mit der Brechstange nach.

Zwei Matchbälle statt einem

Sebastian Vettel hat vollkommen recht, wenn er die neue Regel als "unsinnig" bezeichnet und als Strafe "für diejenigen, die eine ganze Saison lang hart gearbeitet haben". Stellen wir uns vor, was in anderen Sportarten geschähe, wenn dieses Beispiel Schule machte: In der Fußball-Bundesliga würden demnächst an den letzten fünf Spieltagen jeweils sechs Punkte für einen Sieg verteilt, um dem FC Bayern München, der wieder einmal allen Konkurrenten enteilt ist, im Saisonendspurt ein Bein zu stellen. Oder bei den French Open der Tennisprofis in Paris müsste Seriensieger Rafael Nadal künftig im Finale nicht einen, sondern zwei Matchbälle verwerten.

Vor und zurück

Seit Jahren erweckt die Formel 1 den Anschein, als wolle sie sich immer wieder neu erfinden. Dabei tritt sie meist auf der Stelle. Viele Regeln wirken allenfalls wie Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen für Mechaniker oder Kontrolleure. Beispiel Slicks: 1998 werden die glatten Reifen für trockene Pisten abgeschafft, 2009 wieder zugelassen. Beispiel Reifenwechsel: bis auf wenige Ausnahmen 2005 untersagt, seit 2006 wieder erlaubt. Beispiel Stallorder: 2003 verboten, 2011 wieder regulär.

Ecclestone als einzige Konstante

Nur der Mann an der Spitze widersteht der Regelungswut: Bernie Ecclestone sagt seit 40 Jahren, wo es langgeht in der Formel 1. Er ist gewissermaßen ihr Motor, der nie ins Stottern gerät, repariert oder gar ausgetauscht wird. Der Brite hat die Eliteklasse des Automobilsports zu einem Milliardengeschäft geformt, das einige Menschen sehr reich gemacht hat, nicht zuletzt ihn selbst. Ob dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist, klären derzeit deutsche Gerichte. Vielleicht sorgen sie ja dafür, dass in nicht allzu ferner Zukunft eine Formel-1-Reform nötig ist, die mehr ist als der plumpe Versuch, Langeweile mit einer mehr als fragwürdigen Punkteregel zu vertreiben.