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Mehr wäre das Mindeste

Dagmar Engel13. Juni 2014

40.000 syrische Flüchtlinge sind bereits in Deutschland, 10.000 weitere werden auf Beschluss der Innenminister von Bund und Ländern hierher geholt. Das sind relativ viele, aber absolut zu wenige, findet Dagmar Engel.

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Kommentarfoto Dagmar Engel Hauptstadtstudio
Bild: DW/S. Eichberg

Kein Land außerhalb der Krisenregion hat mehr Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen als Deutschland. Deutschland fliegt doppelt so viele Syrer aus und in Sicherheit wie alle anderen westlichen Staaten zusammengenommen. Die meisten Flüchtlinge allerdings kommen nicht über das geordnete Aufnahmeverfahren nach Deutschland, sondern auf eigene Faust und kaum seetauglichen Booten über das Mittelmeer. Wer den Krieg und die Überfahrt überlebt hat und sich dann bis in das Herz Europas durchgeschlagen hat, darf in der Regel bleiben. Relativ gesehen, liegt Deutschland damit ganz weit vorn bei der Aufnahme von Flüchtlingen.

Der Libanon trägt die größte Last

In absoluten Zahlen liegt ein vergleichsweise winziges Land an der Spitze: In den Libanon sind mehr als eine Million Syrer geflohen, täglich werden 1.000 weitere neu registriert. Kein Land auf der Welt hat mehr Syrer aufgenommen. Vier Millionen Einwohner hatte der Libanon vor drei Jahren. Bald ist jeder vierte Mensch in diesem kleinen Land ein Flüchtling. Gingen alle syrischen Flüchtlingskinder dort zur Schule, wären die libanesischen Kinder in der Minderheit. Allerdings besuchen nur wenige Flüchtlingskinder eine Schule.

Die deutschen Innenminister betonen auch jetzt wieder, dass materielle Unterstützung in der Region weitaus mehr Menschen erreiche, als es durch Flüchtlingsaufnahme möglich sei. Den Druck auf die sozialen Gefüge in den Ländern aber erleichtern die großzügigen Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe nicht: Die selbst kaum wohlhabende einheimische Bevölkerung beklagt sich inzwischen, dass die Flüchtlinge bevorzugt werden.

Jeder Staat kann alleine handeln

Seit einem Jahr versucht die Bundesregierung, eine gemeinsame Aufnahmeaktion der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Gang zu bringen. Dieses Ziel weiter zu verfolgen, ist richtig, dauert aber offenbar lang und ist nicht sicher von Erfolg gekrönt. Sofort handeln aber kann die Bundesregierung, können die Bundesländer im jeweils eigenen Verantwortungsbereich. Die Grenze bei weiteren 10.000 Flüchtlingen zu ziehen, ist willkürlich. Während der Balkankriege hat Deutschland 300.000 Menschen aufgenommen.

Woran will sich Deutschland messen? An den anderen westlichen Staaten, die viel zu wenig tun? An den Staaten der Region, die unter der hohen Zahl der Flüchtlinge wanken? An dem Leid der Menschen? An Umfragen und dem vermeintlichen Willen deutscher Wähler? Eigentlich ist der Maßstab doch ganz einfach: In einer so großen Flüchtlingskatastrophe unmittelbar vor den Toren Europas müssen wir tun, was wir können. Und wir können mehr.