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Mehr als überfällig

8. Oktober 2015

Das Ende der FIFA-Karriere Joseph Blatters hätte schon viel früher kommen müssen, findet DW-Sportredakteur Stefan Nestler - und glaubt nicht, dass nun alles gut wird beim Fußballweltverband.

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Sepp Blatter wird bei einer FIFA-Pressekonferenz mit Geldscheinen beworfen. Foto: Reuters
Bild: Reuters/A. Wiegmann

Nun also doch. Die FIFA-Ethikkommission zieht die Reißleine und suspendiert Joseph Blatter, den Noch-Präsidenten des Fußballweltverbands, für 90 Tage. Die Sperre kann nach dem Beschluss der Kommission um weitere 45 Tage verlängert werden. In diesem Falle dürfte Blatter also auch nicht beim FIFA-Kongress auftauchen, bei dem am 26. Februar sein Nachfolger gewählt werden soll. Im Prinzip steht der 79-Jährige immer noch nur unter Korruptionsverdacht, de facto aber ist seine Zeit als Chef des mächtigsten Einzelsportverbands der Welt seit heute abgelaufen. Wenn selbst die von ihm eingesetzte Ethikkommission ihn nicht mehr für tragbar hält, dürfte auch Blatter klar sein, dass es für ihn keinen ehrenhaften Abgang mehr geben kann.

Dichtes Netzwerk

Den hat er auch nicht verdient. Unter seiner Führung ist die FIFA zwar zu einem milliardenschweren Unternehmen gewachsen, doch mit dem wirtschaftlichen Erfolg einher gingen eben auch immer Korruptionsaffären. Meisterhaft verstand es Blatter, die Verantwortung dafür anderen zuzuschieben und damit seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. In einem normalen Wirtschaftsunternehmen hätte er schon vor vielen Jahren die Konsequenzen für die Missstände ziehen und seinen Hut nehmen müssen. Nicht so bei der FIFA. Hier hatte sich Blatter ein so dichtes Netzwerk gewoben, dass er sich auch im größten Sturm einfach fallen lassen konnte. Das Netz hielt ihn. Seine Gefolgsleute wählten ihn sogar noch Ende Mai in eine fünfte Amtszeit, obwohl die Korruptionsaffäre bis hinauf in die FIFA-Spitze schon offenkundig war.

Meister des Selbstbetrugs

Wie viele andere überführte Sünder beteuerte Blatter nicht nur stets seine Unschuld, er glaubte wohl auch daran. Als Meister des Selbstbetrugs redete sich Blatter jede unangenehme Wahrheit schön. Selbst als sich jüngst die größten Geldgeber der FIFA von ihm abwandten, witterte er ein Komplott, statt sich selbst zu hinterfragen. Jetzt hat die Realität ihren Leugner eingeholt. Endlich.

Rettung nicht in Sicht

Das Ende der Ära Blatter bei der FIFA bedeutet jedoch noch lange nicht, dass jetzt alles gut wird beim Weltfußballverband. Der bisherige Favorit auf seine Nachfolge, Michel Platini, ist ebenfalls suspendiert und damit so weit diskreditiert, dass er eigentlich nicht mehr als FIFA-Chef in Frage kommt. Denn der Neue soll ja eine umfassende Reform in Gang setzen. Platini jedoch ist ein Zögling Blatters und - so wie es aussieht - auch Teil des korrupten Systems FIFA. Er dürfte nun Arm in Arm mit Blatter untergehen. Damit ist nicht nur der Tanker FIFA, sondern auch das Beiboot UEFA in akuter Seenot. Hier wie dort ist Rettung noch lange nicht in Sicht. Wenn sie überhaupt möglich ist.

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DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter