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Macht statt Moral

24. März 2009

Die Arbeitspartei von Ehud Barak hat einer Koalition mit Netanjahu zugestimmt. Dabei geht es Barak mehr um die eigene Karriere als um Moral, kritisiert Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Bild: DW

Die israelischen Sozialdemokraten helfen dem Führer des konservativen "Likud" an die Macht. Mit einer knappen Mehrheit von 58 Prozent setzte Arbeitspartei-Führer Ehud Barak sich gegen alle Bedenken aus den Reihen des Parteivolkes durch und lieferte, was er in einer langen nächtlichen Sitzung mit Netanjahu besprochen hatte: Die Arbeitspartei beteiligt sich an der Koalition und rettet diese vor dem vernichtenden Urteil weltweit, dies sei eine "Rechtsaußen-Regierung".

Partei der Pioniere?

Peter Philipp (Foto: DW)
DW-Experte Peter Philipp

Die Arbeitspartei - jahrzehntelang die Partei der Pioniere, der Staatsgründer und Führerin der ersten Regierungen - war bei den letzten Wahlen nur noch vierte geworden. Mit 13 der 120 Knesset-Mandate. Und es ist zu erwarten, dass der Eintritt in die Koalition mit Netanjahu den Niedergang der Partei nicht aufhalten, sondern weiter beschleunigen wird. Denn was Mitglieder der Partei empfanden, das dürfte in der Öffentlichkeit erst recht Überzeugung sein: Barak und der Arbeitspartei geht es mehr um die eigene Haut und die eigene Karriere als um die Moral.

Plötzlicher Sinneswandel

Natürlich ist Barak nicht bereit, solches zuzugeben. Sonst müsste er ja sich selbst widersprechen, da er doch am Wahltag noch vom Gang in die Opposition gesprochen hatte. Nun aber tönt er: Er habe keine Angst vor Netanjahu und er werde das Gegengewicht in der Regierung sein gegen allzu extreme rechte Positionen. Aber: Ein Koalitionspartner könne man nun einmal mehr erreichen als eine 13-köpfige Oppositionspartei.

Ohne Chance auf Durchsetzung

Mag ja sein. Nur: Was will und was kann Barak in solch einer Regierung erreichen? In der der Ministerpräsident sich spätestens im Wahlkampf von einer Wiederaufnahme des Friedensprozesses losgesagt hat, in der als Außenminister ein Mann (Lieberman) agieren soll, der schon mal mit der Bombardierung des ägyptischen Assuan-Staudamms gedroht hatte, der israelische Araber als fünfte Kolonne betrachtet und der auch lieber früher als später den Iran angreifen würde. Und dann sitzen in der Koalition noch orthodoxe Parteien, denen es in erster Linie um eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Besserstellung der Religiösen in Israel geht.

Probleme vorprogrammiert

Probleme und Konflikte sind deswegen vorprogrammiert. Im Inneren des Landes wie gegenüber dem Ausland. Aus der EU war bereits zu hören, mit einer Rechtsaußen-Regierung in Jerusalem werde man nicht so zusammenarbeiten können wie in der Vergangenheit, in Washington ist man sicher beunruhigt, in der Arabischen Welt stärkt dies die Hardliner, die "immer schon gesagt haben, dass Israel keinen Frieden will".

Augenwischerei und Kompromisse

Angesichts dieser Konstellation von einem "Gegengewicht in der Koalition" zu sprechen, ist Augenwischerei. Barak wird einen Kompromiss nach dem anderen eingehen müssen, damit die anderen Partner nicht die Regierung verlassen und es zu Neuwahlen kommt. Und selbst in Israel beginnt man sich zu fragen, ob Barak nicht eigentlich längst ins rechte Lager gehört und deswegen gar keine Zugeständnisse machen muss. Er wird Netanjahu als Feigenblatt dienen, nicht aber Korrektiv in der Regierung sein. Seiner eigenen Partei hat er hiermit einen Bärendienst erwiesen, mehr aber noch den Hoffnungen auf Frieden - wenn nach den Wahlen davon noch etwas geblieben sein sollte…

Autor: Peter Philipp

Redaktion: Anna Kuhn-Osius