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Klage gegen die Kläglichkeit

Marcel Fürstenau17. September 2015

Die NSA/BND-Affäre ist skandalös. Das gilt auch für die Weigerung der Regierung, als Selektoren bezeichnete Spionageziele herauszugeben. Gut, dass sich die Opposition gerichtlich dagegen wehrt, meint Marcel Fürstenau.

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Komplett geschwärzte Seiten durchziehen die Antragsschrift der von Grünen und Linken eingereichten Klage in der NSA-Affäre.
Streng geheim ist teilweise sogar die Antragsschrift der Kläger...Bild: DW/M. Fürstenau

Dieser Schritt war überfällig. Ein Parlament, das die Regierung nicht kontrollieren kann, ist einer Demokratie unwürdig. So sehen es auch Grüne und Linke im Bundestag. Sie klagen auf persönliche Einsicht in geheime Akten der National Security Agency (NSA) und des Bundesnachrichtendienstes (BND). Die beiden Oppositionsfraktionen lassen es sich nicht länger bieten, vom Kanzleramt in der NSA/BND-Affäre wie unmündige Kinder behandelt zu werden.

Genau das aber erleben die Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses seit Monaten. Unter Verweis auf Vereinbarungen mit den USA verweigert die Exekutive den Abgeordneten Einblick in die Spionageziele des US-Geheimdienstes. Bei den so genannten Selektorenlisten handelt es sich um Suchmerkmale wie Telefonnummern und IP-Adressen von Computern. Zu den Betroffenen soll auch Angela Merkel gehören. Niemand hat diese Behauptung bislang dementiert.

Rechtsstaatlichkeit ist unteilbar

Dem Whistleblower Edward Snowden und den mit ihm kooperierenden Medien verdankt es die Öffentlichkeit, überhaupt Kenntnis vom transatlantischen Ausspähen zu haben. Es ist ein Skandal, dass der junge Amerikaner von seiner Regierung in Washington als Krimineller geächtet und ins russische (!) Exil getrieben wurde. Und die Feigheit der westlichen Demokratien, Snowden Asyl zu gewähren, sagt viel über Macht und Moral im globalen Maßstab. Sie halten mich für naiv? Gegenfrage: Wie glaubwürdig ist Kritik an autoritären und diktatorischen Regimen, wenn die Gewaltenteilung im eigenen Land so leger interpretiert und praktiziert wird, wie in dieser Staatsaffäre?

Um es klipp und klar zu sagen: Deutschland ist eine im Großen und Ganzen sehr gut funktionierende Demokratie, die sich über Jahrzehnte bewährt hat. Rechtsstaatlichkeit und Freiheit müssen aber permanent verteidigt werden - gegen Feinde von außen und Gefährdungen von innen. Und die freiwillige Preisgabe von Kontrollrechten wäre eine Gefahr. Die regierenden Konservativen und Sozialdemokraten sehen das in der NSA/BND-Affäre anscheinend ganz anders. Überzeugend ist ihre Argumentation allerdings in keiner Weise. Den Einblick in die Selektorenlisten an eine so genannte Vertrauensperson zu delegieren, kommt der Selbstaufgabe gleich.

Kommentarfoto Marcel Fürstenau Hauptstadtstudio
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Kein Sicherheitsrisiko

Wer dieses von der Regierung durchgedrückte Verfahren akzeptiert, bedankt sich gewissermaßen noch für das entgegenbrachte Misstrauen. Dabei hätte das Kanzleramt, hätte der BND nichts zu befürchten. Die klagenden Abgeordneten begehren lediglich, die unter Verschluss gehaltenen Akten mit eigenen Augen sehen zu dürfen. Nur so können sie sich ein Bild davon machen und beurteilen, ob die Regierung in der NSA/BND-Affäre rechtmäßig gehandelt hat. Details über die als streng geheim deklarierten Selektoren dürften und würden die Parlamentarier des Untersuchungsausschusses nicht ausplaudern. Täten sie es, wären sie selbst ein Fall für die Staatsanwaltschaft. In Wirklichkeit sind die Grüne und Linke kein Sicherheitsrisiko, sondern Verteidiger der Demokratie. Ihre Klage ist ein notwendiges Zeichen gegen die Kläglichkeit der Regierung in der weiter schwelenden NSA/BND-Affäre.

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