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Politik

Staatsmänner, nicht Spalter gesucht!

Jane Nyingi
20. Oktober 2017

Noch immer ist unklar, ob die Präsidentschaftswahl in Kenia in der kommenden Woche stattfindet. Dabei treten im Streit um die Neuwahl die eigentlichen Probleme des Landes völlig in den Hintergrund, meint Jane Nyingi.

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Kenia Nairobi Demonstration Odinga Anhänger
Bild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Weniger als eine Woche vor dem geplanten Termin ist weiter unklar, ob die geplante Neuwahl zum Amt des Präsidenten in Kenia stattfindet, nachdem ein Mitglied der Wahlkommission am Mittwoch den Rücktritt erklärt hat. In einer Erklärung nannte Roselyne Kwamboka Akombe die Gründe, warum sie am kommenden Donnerstag nicht an der Wiederholung der Wahl mitwirken könne. Was besonders auffiel, war ihre Hervorhebung des Wortes "glaubhaft".

"In ihrem derzeitigen Zustand kann die Wahlkommission keine GLAUBHAFTE Wahl am 26. Oktober 2017 garantieren, da sie von einer gespaltenen Wahlbehörde organisiert ist." Sie wolle nicht Teil dieses Spiels sein.

Weiter bezeichnete sie die aktuellen Geschehen als Prozess, der einer politischen Lösung bedürfe. Neuwahlen seien nicht die Lösung, denn die Probleme gingen viel tiefer.

Der Vorsitzende der Wahlkommission, Wafula Chebukati, kritisierte weder Akombe für ihren Rücktritt noch vertrat er eine andere Meinung als sie. Stattdessen attackierte er bei einer Pressekonferenz wenige Stunden nach der Nachricht, dass Akombe aus Angst um ihr Leben das Land verlassen habe, heftig die Spitzenkandidaten der Parteien: "Ich zeige allen politischen Anführern im Land die gelbe Karte. Als Schiedsrichter fordere ich alle Teilnehmer an diesem Spiel strengstens auf, ihre Versuche der Manipulation einzustellen".

Ein gespaltenes Land

Nun fragt man sich in Kenia, wie es weitergeht. Werden noch weitere Rücktritte folgen? Fest steht allein, dass die Wahlkommission zerstritten ist. Und dass es schwierig ist, ein korrektes Spiel zu spielen, wenn schon die Schiedsrichter zerstritten sind.

Jane Nyingi
DW-Redakteurin Jane Nyingi ist KenianerinBild: DW/A.Essif

Als Kenianerin glaube ich, dass dieses Land seit den Gewaltausbrüchen nach den Wahlen 2007/2008 noch nie so polarisiert war, wie seit der Annullierung der Wahlen vom 8. August.*

Das Land steuert durch unerforschte politische Gewässer. Nachdem Oppositionsführer Raila Odinga Rechtsmittel gegen die August-Wahlen eingelegt hatte, ordnete der Oberste Gerichtshof Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen an: Der Urnengang vom 8. August sei wegen "Unregelmäßigkeiten und Rechtsverstößen" nichtig.

Jetzt werden die Kenianer zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen mit Politik beschallt, während das Land vor schweren Herausforderungen steht: Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist nicht gesichert - mehr als 2,6 Millionen sind auf Hilfe angewiesen. Die Wirtschaft steht aufgrund der politischen Krise weitgehend still. Die Anhänger der größten Oppositionspartei NASA (National Super Alliance) gehen in Nairobi, Mombasa und Kisumu täglich auf die Straße und fordern eine Reform der Wahlkommission. Bisher kamen bei den Demonstrationen mindestens 33 Menschen, auch Kinder, ums Leben.

Der Staat ist pleite, die Lebenshaltungskosten steigen, das Schulwesen ist durch neue Lehrpläne durcheinander gebracht und die Geschäftswelt zählt nur noch ihre gewaltigen Verluste.

Alte Auseinandersetzungen

Schon seit Jahrzehnten und zwei Generationen durchlebt Kenia einen Konflikt zwischen den Familien Odinga und Kenyatta: Jomo Kenyatta war der erste Präsident nach der Unabhängigkeit des Landes 1963, Jaramogi Oginga Odinga war sein Vize. Später trennten sich die Wege der beiden aufgrund unterschiedlicher politischer Ideologien: Kenyatta senior war Kapitalist, Odinga senior Sozialist. Kenyatta übernahm das Präsidentenamt, Odinga blieb für drei Jahrzehnte in der Rolle des Oppositionsführers gefangen; er starb, ohne jemals Kenia regiert zu haben.

Der Zweikampf wiederholt sich jetzt in der Generation der Söhne. Zum vierten und zum letzten Mal hofft Raila Odinga auf die Chance zum Präsidentenamt. Aber auch für Präsident Uhuru Kenyatta ist diese Wahl die letzte Chance, weil die kenianische Verfassung nur zwei Amtszeiten von jeweils fünf Jahren Länge zulässt. Es ist traurig, dass beide Politiker während des Wahlkampfes vor allem auf ethnische Gegensätze gesetzt haben, um genügend Unterstützer hinter sich zu scharen.

Kenyatta gehört zu der ethnischen Gruppe der Kikuyu, der größten in Kenia. Die Luo, denen Odinga angehört, sind die viertgrößte Volksgruppe des Landes. In Kenia wird bisher jede politische Entscheidung nach ethnischer Arithmetik getroffen. Solange diese ethnische Abgrenzung besteht, lässt sich nicht viel erreichen im Lande. Die regierende Jubilee-Partei und die oppositionelle NASA unterscheiden sich in ihren Ansichten kaum; sie sind lediglich Mittel, um an die Macht zu gelangen. Stattdessen ist Kenia entlang der ethnischen Grenzen geteilt, und wir haben es in den 50 Jahren seit der Unabhängigkeit von Großbritannien nicht geschafft, dieses Problem zu lösen.

Odinga hat zwischenzeitlich seinen Verzicht auf die Teilnahme an den Neuwahlen am 26. Oktober erklärt und dies dann wieder zurückgezogen. Präsident Kenyatta besteht auf auf der Wahl in der kommenden Woche. Und der Vorsitzende der Wahlkommission hat derweil einen dreiwöchigen Urlaub angetreten.

Selbst wenn nun also gewählt werden sollte - was geschieht danach? Die Antwort ist einfach: Das Land wird geteilt bleiben. Nach den Ergebnissen der anullierten Wahlen hat Kenyatta 8,2 Millionen Unterstützer - 6,7 Millionen haben für Odinga gestimmt. Kaum glaubhaft also, wenn er vom Aufbau der Nation spricht.

Beide, Kenyatta und Odinga müssen dieses Patt auflösen - zum Wohle des Landes. Kenia ist größer als zwei Politiker. Die Krise verlangt nach Staatsmännern, nicht nach zwei Rivalen, die das Land spalten.

Kenia mag aus 45 Stämmen zusammengesetzt sein. Aber die bittere Wahrheit ist, dass die eigentliche Trennlinie zwischen arm und reich verläuft. Vor allem vor dieser Herausforderung steht das Land - unabhängig von ethnischer oder politischer Zugehörigkeit. Lasst uns also weise sein!

*In einer früheren Version dieses Artikels stand irrtümlich: "In den vergangenen drei Monaten starben fast 1400 Menschen, 600.000 verloren ihr Dach über dem Kopf."

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