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Kommentar: Kein Grund zum Feiern

Bettina Marx17. Dezember 2013

Die neue Regierung ist im Amt. Kanzlerin Merkel und ihre Minister wurden feierlich vereidigt. Für die Demokratie in Deutschland ist dies jedoch kein Freudentag, meint Bettina Marx in ihrem Kommentar.

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Angela Merkel wird von Joachim Gauck zur Kanzlerin vereidigt (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Endlich! Deutschland hat wieder eine Regierung. Nach dem außergewöhnlich langen Interregnum von fast drei Monaten seit der Bundestagswahl ist das neue Kabinett nun vereidigt, die große Koalition kann ihre Arbeit aufnehmen. Und sie wird es auch sehr schnell tun müssen, denn viele Vorhaben dulden keinen weiteren Aufschub.

Die Bundesrepublik Deutschland, das wirtschaftlich stärkste Land Europas, der politische Motor der Europäischen Union und ein "Global Player" auf dem internationalen Parkett, muss ganz schnell wieder handlungsfähig sein. Die schwarz-rote Koalition, die mit einer so klaren Mehrheit regieren kann, muss die Probleme anpacken, die in der zurückliegenden Zeit des Stillstands nicht geringer geworden sind: die Eurokrise, die angeschlagene und dringend renovierungsbedürftige Infrastruktur in Deutschland, die Bildungsmisere an den Universitäten, die sich immer weiter öffnende Kluft zwischen Arm und Reich - und nicht zuletzt das Megaprojekt Energiewende. Hinzu kommen außenpolitische Herausforderungen, die nach einer starken und klug agierenden Regierung verlangen: die Krise in der Ukraine, die Flüchtlingskatastrophe im Nahen Osten, der Streit um das iranische Atomprogramm und der Vertrauensverlust gegenüber den Vereinigten Staaten.

Neue Regierung mit Überraschungen

Die neue Regierung, die all diese Aufgaben nun zu bewältigen hat, bietet durchaus einige Überraschungen, die hoffen lassen, dass sich in den nächsten vier Jahren etwas bewegt: Eine starke Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums, der man zutrauen kann, den komplizierten Apparat in den Griff zu bekommen. Ein junger und unverbrauchter Jurist als Justizminister, der sich nun mit der Autorität seines wichtigen Ressorts auch um den Verbraucherschutz kümmern wird. Ein zwar relativ unbekannter aber erfahrener Fachmann an der Spitze des Entwicklungsministeriums und eine Kulturstaatsministerin, die weithin hohes Ansehen genießt. An der Spitze des Kabinetts steht das Power-Gespann aus Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Gabriel, beide unangefochten in ihren Parteien und auf dem Höhepunkt ihrer Macht.

Kein Anlass zum Feiern

Dies alles könnte Grund zur Zuversicht geben, dass Deutschland in den nächsten vier Jahren in guten Händen ist. Doch Feierstimmung will trotzdem nicht aufkommen. Denn über eine so machtvolle Regierung kann man sich nicht wirklich freuen. Die sie tragenden Parteien stellen eine so breite Mehrheit im Parlament dar, dass eine wirksame Kontrolle der Regierung nicht mehr möglich ist. Die Opposition wird förmlich erdrückt von dieser großen Koalition. Es dürfte ihr schwer fallen, eigene Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen und den Bürgern eine Alternative zu präsentieren. Langweilige Debatten und routiniertes "Durchregieren" dürften die nächste Legislaturperiode bestimmen.

Für die Demokratie ist das schlecht. Sie lebt von der Auseinandersetzung und vom Widerstreit der Ideen und der Politikentwürfe. Wenn sich die meisten Deutschen in Umfragen für eine große Koalition aussprechen, zeigt dies vielleicht die Harmoniebedürftigkeit und Konsensorientierung, vielleicht auch die Entpolitisierung der deutschen Gesellschaft. Für den Parlamentarismus, für die Demokratie und damit für unser Land ist dies jedoch die schlechteste aller denkbaren Regierungen.