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Politik

Schein und Sein in Griechenland

23. Oktober 2016

Die Euro-Krise ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Doch gelöst ist das Problem nicht. Und da sich in Athen nicht wirklich etwas ändert, wird sich das Thema schon bald wieder nach vorne drängen, meint Spiros Moskovou.

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Griechenland Tsipras Rede Meese Thessaloniki
Der griechische Regierungschef und Syriza-Vorsitzende Alexis TsiprasBild: Reuters/A. Avramidis

"Hiermit erkläre ich die Nicht-Privatisierung der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft DEI zum zentralen politischen Anliegen von Syriza" polterte Energieminister Panos Skourletis am vergangenen Wochenende in Athen beim Parteitag der Regierungspartei. Dabei hat im Mai die Regierung Tsipras und das griechische Parlament eine erste Liste staatseigener Unternehmen abgesegnet, die zu privatisieren sind. Ein wichtiger Punkt dabei ist der Verkauf eines Teils der DEI-Aktien. Das ganze Privatisierungspaket soll dem Fiskus bis Ende des Jahres Einnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro einbringen.

Ein Minister als Oppositionsführer

Daraus wird jedoch nichts, wenn nun ausgerechnet der zuständige Minister öffentlich zum Kampf gegen den Plan aufruft. Aber Skourletis' Kampf gegen die offizielle Regierungspolitik hat ihm den sechsten Platz im neuen Syriza-Zentralkomitee gesichert. Auch der umgekehrte Weg ist bei Syriza möglich: Der angeblich radikale Linkspremier Alexis Tsipras hat beim Parteitag den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone quasi zur neuen Staatsdoktrin erhoben. Doch selbst diese Metamorphose vom Saulus zum Paulus hat nicht verhindert, dass er mit satten 95 Prozent der Stimmen als Parteivorsitzender wiedergewählt wurde.

Moskovou Spiros Kommentarbild App
Spiros Moskovou leitet die Griechische Redaktion der DW

Der Fall Skourletis und die Bekehrung von Tsipras zu den Werten des Euro sind bezeichnend für die widersprüchliche Politik der in Athen regierenden Populisten: Offiziell steht die Regierung zu den Abmachungen mit den internationalen Geldgebern im Rahmen des inzwischen dritten Hilfspakets für Griechenland; inoffiziell nutzt sie jede Gelegenheit, das Paket zu hintertreiben. Diese gefährliche Gratwanderung verkauft sie dem Wahlvolk als Kampf gegen die Folterer der Nation. Zugegeben - auch in anderen europäischen Ländern ist die innenpolitische Rhetorik schriller als der Ton der gleichen Regierung auf internationaler Ebene. Doch in Griechenland ist diese Diskrepanz inzwischen so groß, dass man von einer infantilen politischen Kultur sprechen muss.

Keine Partei wird ihrer Verantwortung gerecht

Leider betrifft das nicht nur die vermeintlich radikale Syriza, die von einer lauten Splittergruppe der Opposition über Nacht zur Regierungspartei eines bankrotten Staates domestiziert werden musste - sondern auch den Rest der griechischen Parteien. Im Sommer 2015 haben auch die konservative Nea Dimokratia und die sozialdemokratische PASOK dem dritten Hilfspaket zur Rettung Griechenlands im Parlament zugestimmt. Doch seitdem bekämpfen sie unerbittlich jede konkrete Maßnahme und jede Reform, welche die Syriza gezwungenermaßen versucht durchzusetzen. Die öffentliche Debatte versinkt in einem Durcheinander von gegenseitigen Schuldzuweisungen, Anklagen und Verleumdungen. Die Unfähigkeit der Parteien, auch nur einen Minimalkonsens zu erzielen, erschwert die notwendige Genesung des Landes. Teile der Gesellschaft wenden sich von der Politik ab, nicht wenige Bürger unterstützen inzwischen ultrarechte Parteien.

In einer Umbruchphase, wie sie die griechische Gesellschaft gerade erlebt,  bräuchte es verantwortungsbewusste Parteien. Parteien, die über die Notwendigkeit der überfälligen Reformen einig sind und sich nur um die besseren Ideen bei deren Ausgestaltung streiten. Syriza hat formal den Bruch mit der ausgedienten Vergangenheit und ihre Bereitschaft zu Reformen verkündet. Doch in der täglichen Praxis begeht sie erneut all die alten Sünden des griechischen Politestablishments. Syriza war bereits verantwortlich für den dreifachen Urnengang im Jahre 2015 mit seinen völlig widersprüchlichen Ergebnissen. Wetten, dass die Partei bald wieder zu Neuwahlen aufruft - wenn nämlich die Geldgeber keinen klaren Schuldenschnitt bis Ende des Jahres versprechen? Und die Begründung für diesen Schritt wird erneut sehr heroisch klingen: "Wir müssen den Folterern der Nation nochmals die Stirn bieten!"

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