1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Illusorischer Vorschlag

Bernd Wolf SWR
Bernd Wolf
27. August 2015

Nach den rechtsradikalen Krawallen im sächsischen Heidenau fordert die deutsche Polizeigewerkschaft Bannmeilen rund um Flüchtlingsheime. Das Problem muss man anders lösen, meint Bernd Wolf aus der ARD-Rechtsredaktion.

https://p.dw.com/p/1GMop
Heidenau Ausschreitungen Krawalle
Bild: Getty Images/M. Rietschel

Schon einmal in der jüngeren Geschichte Deutschlands spielten die Begriffe Asyl und Bannmeile eine gemeinsame Rolle: 1993, als die damalige Bundesregierung unter Helmut Kohl gemeinsam mit der SPD-Opposition das Asyl-Grundrecht in seinem Kern abschaffte. Damals durchbrachen Demonstranten, die sich für den Erhalt des Asylrechts in seiner alten Form einsetzten, die Bannmeile des Bundestages in Bonn, um die Abgeordneten von ihrem Tun abzuhalten. Ohne Erfolg.

Bannmeilen sollen freie Entscheidungen ermöglichen

Eigentlich schützen Bannmeilen oder so genannte "befriedete Bezirke" heute Parlamente wie den Bundestag und den Bundesrat, ebenso die Parlamentsgebäude der Bundesländer, aber auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Es gibt Bannmeilengesetze, die akkurat und penibel das Gebiet bemessen und bezeichnen, etwa ein Flussufer, eine Treppe oder die Südostecke eines Gebäudes - all das kann zur Bannmeile erklärt werden. In ihr sind Versammlungen unter freiem Himmel, Umzüge und Aufzüge grundsätzlich verboten. Aber Ausnahmen sind nach Anmeldung bei den Behörden durchaus möglich. Zweck der Vorschrift ist der Schutz vor dem Druck der Straße: Abgeordnete und Richter sollen ihre Entscheidungen unbeeinflusst fällen können. Daher vermischt der Begriff Bannmeile im Zusammenhang mit Flüchtlingsheimen zwei völlig verschiedene Ebenen.

Im Mittelalter sollte die Bannmeile rund um eine Stadt dafür sorgen, dass keine rivalisierenden Händler in die Stadt kamen, um den einheimischen Kaufleuten Konkurrenz zu machen. Ab dem 19. Jahrhundert schützten die Bannmeilen in Großbritannien das Parlament, in Deutschland die Residenzen und Schlösser der Adligen, später dann auch hier die Abgeordneten, erstmals 1848 die Frankfurter Nationalversammlung. Die Nazis schafften dann die Bannmeile ab. Sie war nicht mehr notwendig, nachdem sie zuvor schon die Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt hatten.

Bernd Wolf SWR
Bernd Wolf, ARD-Rechtsredaktion KarlsruheBild: SWR

Weil Bannmeilen vor Parlamenten die Grundrechte Meinungs- und Demonstrationsfreiheit schwer einschränken, weil sie faktisch ein Defizit an Demokratie offenbaren, hat die Politik sie inzwischen zurückgeschnitten. Ende der 1990er Jahre stufte man die Verletzung der Bannmeile von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herab.

Keine Chance vor dem Bundesverfassungsgericht

Auch deswegen erscheint es äußerst zweifelhaft, ob neue Bannmeilen - diesmal um Flüchtlingsheime herum - verfassungsrechtlich überhaupt durchgehen würden. Denn das Grundgesetz schützt auch das Recht, falsche, dumme und sogar rechtsextreme Meinungen zu äußern, schockierende Parolen, auch an Orten, an denen es richtig weh tut - also auch vor Flüchtlingsheimen. Und glaube doch keiner, ein gewaltbereiter Nazi würde an der Bannmeile Halt machen und umkehren!

Außerdem gibt es mildere, nämlich polizeirechtliche Mittel, Versammlungen aufzulösen, wenn Straftaten erwartet werden oder schon begangen wurden. Die Polizei kann Gewalttäter des Platzes verweisen. Sie kann Demonstration bereits im Vorfeld verbieten. Und auch die Zivilgesellschaft kann Rassisten entgegentreten - mit Gegen-Demonstrationen.

Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder sehr kraftvoll und überzeugend die Wichtigkeit von Meinungs- und Demonstrationsfreiheit für die Demokratie verdeutlicht - das sollte man nicht vergessen. Der Vorschlag der Polizeigewerkschaft einer Bannmeile um Asylbewerber-Heime hat daher - auch wenn er vielen Deutschen derzeit noch so sympathisch erscheint - keinerlei Chance, geltendes Recht zu werden.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!