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Hollandes Bündnis

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
27. November 2015

Eine Woche lang hat Frankreichs Präsident rastlos Bündnispartner für den Kampf gegen den Terror gesucht. Er war erfolgreicher als erwartet, doch existiert bisher nur eine Koalition der Unwilligen, meint Bernd Riegert.

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Frankreich Trauer für die Opfer der Anschläge Trauergäste Francois Hollande
Bild: Reuters/C. Platiau

Francois Hollande galt innenpolitisch bisher als schwacher Präsident. Die Terroranschläge vor zwei Wochen haben ihn ungewollt in eine neue Rolle katapultiert. Hollande muss jetzt den starken Mann geben, den Präsidenten, der für die Franzosen gegen die Terrorarmee IS in den Krieg zieht. Das hat er der Nation noch einmal bei der Trauerrede im Invalidendom versprochen. Hollande hat keine andere Wahl, weil die verängstigten Franzosen das erwarten und weil ihm die innenpolitischen Gegner Nicolas Sarkozy von rechts und Marine Le Pen von ganz weit rechts im Nacken sitzen.

Zweckbündnis nimmt Formen an

Innerhalb einer Woche hat er erstaunlich effizient eine Koalition der eigentlich Unwilligen zusammengezimmert. Ob sie lange halten wird, ist ungewiss. Aber mit seinen Blitzbesuchen in Washington und Moskau sowie einer Reihe von Gesprächen in Paris hat sich Hollande die Solidarität der Welt und einige Zusagen für konkrete militärische Unterstützung gesichert. Großbritannien könnte sich bald an Luftangriffen auch in Syrien beteiligen. Italien hat mehr Hilfe zugesagt. Die deutsche Kanzlerin hat jedwede Hilfe versprochen und eine Kehrtwende hin zu einem deutschen Kampfeinsatz eingeleitet. In der Not kann Hollande auf die deutsch-französische Freundschaft bauen.

Ausgestattet mit einem auslegungsfähigen UN-Mandat, das alle "möglichen" Schritte unterstützt, kann Frankreich jetzt ein Zweckbündnis zum Kampf gegen die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates in Syrien und im Irak schmieden. Die Mitglieder dieser nicht ausdrücklich formal erklärten Koalition haben sehr unterschiedliche Interessen in Syrien und darüber hinaus, aber sie haben doch ein gemeinsames Ziel. Da die Bedrohung durch den IS alle trifft, Russland und die Türkei eingeschlossen, wird man kurzfristig gemeinsam handeln, um die Terroristen zu schwächen. Besiegen wird man sie mit einer Koalition, die sich nur auf Luftangriffe einigen kann, nicht. Der islamistische Terror ist ja kein gewöhnlicher militärischer Gegner, der sich nur mit Waffengewalt in einer bestimmten Region bekämpfen ließe. Er ist, und das weiß natürlich auch Francois Hollande, eine Ideologie. Eine perverse Denkschule, die auch in Afghanistan, Nordafrika, Nigeria und in vielen Staaten Westeuropas Terrorzellen geschaffen hat.

Riegert Bernd Kommentarbild App
Bernd Riegert, Europa-Korrespondent der DW

Die verstärkten Angriffe Frankreichs, der USA und Russlands auf den IS in Rakka verhindern nicht unmittelbar weitere Anschläge in Paris, Brüssel, Hannover oder anderswo. Das wird ein langer und mühsamer Kampf, der bereits 2001 nach den Anschlägen in New York und Washington begonnen hat, zur Besetzung Afghanistans und Iraks führte und immer noch nicht das gewünschte Ergebnis zeigt. Im Gegenteil: Der Krieg gegen den Irak hat wohl den IS erst möglich gemacht, weil aus den Ruinen des Saddam-Regimes der Kern dieser Terrorarmee entstand.

Und was kommt danach?

Deshalb wäre es wichtig, dass sich der französische Präsident nicht nur relativ erfolgreich um eine militärische Koalition bemüht, sondern auch ein Konzept für die Zeit danach vorlegt. Was passiert in Syrien und im Irak, wenn der IS zurückgedrängt wird? Wird es noch einen Staat Syrien geben? Wer soll ihn führen? Der bisherige Machthaber Assad? Das fragile Sammelsurium der bisherigen Opposition, mit oder ohne die Kurden? All diese Fragen werden jetzt hintangestellt, um die Koalition mit ihren unterschiedlichen Interessen zusammenzubringen. Doch müssten sie beantwortet werden, bevor man in den Krieg zieht. Sonst hätte man aus Afghanistan und Irak nichts gelernt.

Die USA wollen Assad beseitigen. Russland will das nicht, aber trotzdem den IS besiegen. Die Türkei will Assad loswerden, gleichzeitig die kurdischen Rebellen niederhalten, die aber von anderen NATO-Partnern unterstützt werden. Die Deutschen wollen sich am Kampf gegen den IS mit mehr Ausbildern im Irak und sogar mit Aufklärungsflügen beteiligen, aber gleichzeitig verhindern, dass Russland den Konflikt in Syrien mit Forderungen nach Entgegenkommen in der Ukraine-Krise verknüpft. Frankreichs Hollande hat, weil er schnelle Erfolge braucht, an dieser Stelle weniger Skrupel: Er geht beherzt auf die Russen zu, auch weil der amerikanische Präsident Obama ihm noch zu zögerlich erscheint. Am Ende Bodentruppen nach Syrien zu schicken oder gar Territorium zu besetzen, hat Obama ausgeschlossen. Auch die meisten anderen Koalitionäre in dem recht instabilen Bündnis haben daran noch kein Interesse.

Statt Weltklima jetzt Anti-Terror-Diplomatie

Die Spannungen zwischen Russland und der Türkei nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Armee sind verbal eskaliert, praktisch aber haben sie wenig Auswirkungen. Francois Hollande muss nun die Gunst der Stunde nutzen, die ihm die am Montag beginnende Weltklima-Konferenz in Paris bietet: Er wird mit dem türkischen Präsidenten Erdogan und mit dem russischen Präsident Putin sprechen und beide an einen Tisch bringen. Hollande muss daneben auch mit Saudi-Arabien und Iran über deren Rollen im syrischen Bürgerkrieg sowie bei der Unterstützung von Terrorgruppen verhandeln. Es kann ihm durchaus gelingen, die bisher nur informelle Anti-IS-Koalition zu festigen. Das hat er den Franzosen versprochen. Daran wird er jetzt gemessen werden.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union