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Politik

Hart, aber nicht konfrontativ

Wirtschaftskolumnist der Deutschen Welle Andrey Gurkov
Andrey Gurkov
2. Mai 2017

Angela Merkel und Wladimir Putin bemühten sich in Sotschi um konstruktiven Dialog. Beide brauchen einen Erfolg des G20-Gipfels in Hamburg, meint Andrey Gurkov.

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Russland | Pressekonferenz Merkel Putin
Bild: Getty Images/AFP/A. Nemenov

Zwischen Russland und Deutschland gibt es nach wie vor "gravierende Meinungsverschiedenheiten". Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Sotschi am 2. Mai noch einmal unmissverständlich klar gemacht. Bei der Einschätzung vieler internationaler Probleme vertreten Berlin und Moskau nach wie vor grundverschiedene Positionen. Besonders wenn es um die Ukraine geht. 

Arbeitsbesuch im Vorfeld des G20-Gipfels

Aber das Ziel von Merkels Besuch in Russland bestand auch nicht darin, irgendeinen Durchbruch zu erzielen. Ihr als Gastgeberin des Anfang Juli in Hamburg stattfindenden G20-Gipfels ging es in erster Linie darum, Gemeinsamkeiten mit einem sehr wichtigen Teilnehmer dieser Runde zu finden. Zumindest wurde das so im Vorfeld der Reise den Medien aus ihrem Umfeld kommuniziert. In Berlin war man sichtlich bemüht, die Erwartungen an das Treffen in Sotschi möglichst niedrig zu halten.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz spielte das Thema G20 allerdings eher eine untergeordnete Rolle. Vielleicht deshalb, weil beide Seiten einem taktischen Zug zustimmten, den Moskau schon bei anderen Spitzengesprächen erfolgreich angewandt hatte. Die Pressekonferenz wurde nämlich nicht am Ende des Treffens, sondern zwischen zwei Verhandlungsrunden abgehalten. Der Hamburger Gipfel, so die Ankündigung, werde erst im zweiten Teil besprochen.

Andrey Gurkov, Redakteur in der Russischen Redaktion der DW (Foto: DW)
Andrey Gurkov, Redakteur in der Russischen Redaktion der DW

Vermittelt Merkel zwischen Putin und Trump?

Das eigentliche Thema des Treffens wurde bei der Pressekonferenz somit elegant ausgeklammert. Die Journalisten hatten keine Möglichkeit, bohrende Fragen zu stellen, und mussten sich mit der Formulierung der Gastgeberin begnügen, Russland wolle im Rahmen der G20 und bei der multilateralen Kooperation ein konstruktiver Partner sein. Heißt das, dass Putin, der bei sich zu Hause Handelsbarrieren errichtet und Importsubstitution zum Wirtschaftsprogramm erklärt hat, in Hamburg für Freihandel und gegen Protektionismus votieren wird? Denn genau solch ein Votum würde die Exportnation Deutschland gerne in einer Runde durchsetzen, in der auch US-Präsident Donald Trump mit am Tisch sitzen wird.

Apropos Trump. Es sieht immer mehr danach aus, dass das längst erwartete erste Treffen zwischen dem neuen amerikanischen und dem russischen Präsidenten wohl in Hamburg am Rande des G20-Gipfels stattfinden könnte. In diesem Falle wäre Merkel die Gastgeberin. Ist sie deshalb auch zu einer Art Vermittlerin geworden? Hat sie zuerst in Washington und jetzt in Sotschi diskret daran gearbeitet, das Aufeinandertreffen zweier großer weltpolitischer Egomanen in einen Erfolg für alle beteiligten Seiten zu verwandeln? Ist es purer Zufall, dass ein Telefongespräch zwischen Putin und Trump auf den Abend nach dem Besuch der Kanzlerin eingeplant wurde? 

Gemeinsamkeiten bei der Lösung des Ukraine-Konflikts

Diese vielleicht spannendsten Aspekte des Merkel-Besuchs wurden leider nicht thematisiert. Stattdessen sprach man auf der Pressekonferenz besonders viel über den Ukraine-Konflikt, obwohl es da nicht viel Neues zu berichten gibt. Der Meinungsaustausch in Sotschi hat jedoch gezeigt, dass trotz aller Differenzen durchaus Gemeinsamkeiten vorhanden sind. Und beide Seiten waren sichtlich bemüht, sie in den Vordergrund zu stellen.

So halten sowohl Deutschland als auch Russland am Minsker Abkommen fest und wollen es nicht durch einen neuen Vertrag ersetzen. Auch die Verhandlungen im sogenannten Normandie-Format wollen sie weiterführen, was faktisch eine Absage an jene bedeutet, die neben der Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich auch die USA mit am Tisch haben wollen. Zudem sind beide Seiten für die Stärkung der OSZE-Mission und gegen bewaffnete UN-Truppen im ostukrainischen Krisengebiet.

Es gibt somit viel mehr Gemeinsamkeiten als man vermuten könnte. Ob das am Ende reichen wird, um den Ostukraine-Konflikt aus der Sackgasse zu führen, ist fraglich. Aber zumindest könnte es helfen, die prekäre Situation nicht schlimmer werden zu lassen.  


Der Eine setzt auf  Wirtschaft, die Andere auf humanitäre Fragen

Selbstverständlich haben Merkel und Putin auch über die bilateralen Beziehungen gesprochen. Dabei signalisierten beide den Wunsch nach Annäherung. Auffällig war jedoch, dass Putin die Wirtschaft in den Vordergrund stellte, während Merkel den Akzent auf humanitäre Fragen, den Jugendaustausch und den Dialog der Zivilgesellschaften legte. In diesem Kontext sprach sie auch ein brandaktuelles Thema an - die (lebensgefährliche) Lage der Homosexuellen in Tschetschenien, was für große Resonanz in den russischen Medien sorgte.

Ob das Ergebnis dieser Reise mehr als nur ein intensiver Meinungsaustausch war (was in der internationalen Politik an sich schon sehr wichtig ist), werden wir spätestens Anfang Juli sehen. Merkel will als Gastgeberin auf dem G20-Gipfel mitten im Wahlkampf organisatorisch und politisch glänzen. Putin will dort auf keinen Fall international isoliert wirken und vielleicht die Schlagzeilen dank einem Treffen mit Trump dominieren.

Eines ist klar: Merkel und Putin brauchen den Erfolg in Hamburg, beide könnten einander helfen. Möglicherweise haben sie in Sotschi hinter verschlossenen Türen daran gearbeitet. 

 

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