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Der falsche Mann für neue Herausforderungen

Michael Knigge / AR24. November 2014

Chuck Hagel hat es nicht geschafft, in seine Rolle als Pentagon-Chef hineinzufinden. Sein Sturz zeigt auch, wie das Weiße Haus mit neuen außenpolitischen Herausforderungen umgeht, meint Michael Knigge.

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Chuck Hagel (Foto: Mandel Ngan/AFP/Getty Images)
Bild: Mandel Ngan/AFP/Getty Images

Von Anfang an hatte Chuck Hagel einen schweren Start. Schon die Anhörungen vor seiner Vereidigung liefen für den einzigen Republikaner in Präsident Barack Obamas Regierung nicht gut. Anstatt Hagel, der zuvor lange Jahre selbst Senator war, einen reibungslosen Übergang ins neue Amt zu ermöglichen, nahmen ihn seine alten Kollegen im Senat ins Kreuzverhör. Einen Tag lang grillten sie ihn - wobei klar wurde, dass die republikanischen Senatoren keinerlei Sympathien für ihren Parteifreund hatten.

Seine Partei-internen Gegner wie John McCain nahmen insbesondere Hagels Haltung in Sachen Israel und Iran aufs Korn, die aus ihrer Sicht zu hart gegen Israel und zu nachgiebig gegenüber Teheran ist. Die Aussicht, dass ausgerechnet der Hagel-Kritiker McCain ab Januar den Vorsitz des Streitkräfte-Ausschusses übernimmt - eine Folge des Erfolgs der Republikaner bei den Zwischenwahlen - mag Obama ebenfalls bewogen haben, einen Wechsel an der Pentagon-Spitze einzuleiten. Doch das war nicht der Hauptgrund für Hagels Sturz.

Hagels Guantánamo

Die Unzufriedenheit mit dem Verteidigungsminister gärte schon eine Weile im Weißen Haus. So musste vergangenen Mai Obamas Sicherheitsberaterin Samatha Power Hagel per Schriftsatz dazu drängen, die Rückführung von Guantánamo-Häftlingen zu beschleunigen - ein ungewöhnliches und aufsehenerregendes Vorgehen. Schließlich hatte Obama bereits 2008 als Präsidentschaftskandidat angekündigt, das umstrittene Lager auf Kuba zu schließen. Weil seine Präsidentschaft sich langsam dem Ende nähert, bleibt Obama nicht mehr viel Zeit, dieses Versprechen einzulösen, das die Republikaner rigoros ablehnen. Dass sein eigener Verteidigungsminister erst auf öffentliches Drängen hin sich veranlasst sah, eines der wichtigsten politischen Ziele des Präsidenten umzusetzen, hat Obama sicherlich bewogen, sich von Hagel abzuwenden.

Eine anderes Politikfeld, auf dem Hagel nicht seiner tragenden Rolle gerecht wurde, ist der Kampf gegen die Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS). Anstelle des Verteidigungsministers gaben meistens der Chef des Generalstabes, Martin Dempsey, und Präsident Obama intern und öffentlich die Marschroute vor, während Hagel nahezu unsichtbar blieb.

Michael Knigge (Foto: DW)
DW-Redakteur Michael KniggeBild: DW/P. Henriksen

Ohne Plan gegen IS

Das Ergebnis war eine chaotische Anti-IS-Strategie. "Wir haben noch keinen Plan", musste Obama am 28. August zugeben - eines der wohl bekanntesten Zitate des Präsident in Sachen Kampf gegen den "Islamischen Staat". Dazu kamen anscheinend widersprüchliche Aussagen der US-Regierung zur Rolle der vom IS belagerten kurdischen Stadt Kobane: ob die Terror-Organisation nur zurückgedrängt oder ganz zerstört werden sollte.

Fairerweise muss man sagen, dass dies nicht Hagels Schuld war. Er war ursprünglich aus ganz unterschiedlichen Gründen von Obama angeheuert worden. Wie Obama ist auch Hagel sehr skeptisch, wenn es um Militäreinsätze zur Lösung internationaler Konflikte geht. Vietnamveteran Hagel war ebenso wie Obama ein lautstarker Kritiker des Irak-Krieges. Beide waren gegen die Pläne von Präsident George W. Bush, US-Truppen Richtung Bagdad zu schicken.

Obamas Ziele, gemeinsam mit Hagel auch den Afghanistan-Einsatz zu beenden, diesen zweiten von George W. Bush veranlassten Krieg, sowie das Pentagon zurückzustutzen, waren zunächst nachvollziehbar. Aber aktuelle Entwicklungen übernahmen schnell das Kommando in der Außenpolitik, womit das Anliegen, Amerikas Präsenz im Mittleren Osten zurückzufahren, in den Hintergrund geriet. Stattdessen wuchsen in der Region die Spannungen durch das Aufkommen des "Islamischen Staates". Und andernorts, in Osteuropa, blickte man gebannt in Richtung Ukraine, wo russisches Militär aufmarschierte.

Inzwischen hat die Obama-Administration versucht, sich auf die sich ändernde Weltlage einzustellen. Und sie ist immer noch dabei. Verteidigungsminister Chuck Hagel war für diese Aufgabe nicht der Richtige. Vieleicht braucht Obama jetzt jemanden an der Pentagon-Spitze, der ihm charakterlich weniger ähnelt.