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Politik

Gegen Erdogan hilft nur klare Sprache

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Jens Thurau
20. August 2017

Der Versuch des türkischen Präsidenten, gegen türkeikritische Deutsche in EU-Ländern vorzugehen, ist vorerst gescheitert. Ein rasches Handeln in Berlin hat dazu beigetragen, meint Jens Thurau.

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Symbolbild Deutschland - Türkei
Bild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Wenn ein Politiker den anderen als paranoid bezeichnet, ist das zumeist schlicht eine Unverschämtheit. Wenn jetzt SPD-Chef Martin Schulz den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan so betitelt, kommt es der Wahrheit schon sehr nah.

Nichts geht mehr zwischen Berlin und Ankara. Über viele Monate brachte die deutsche Regierung jede diplomatische Mühe auf, nahm alle Provokationen hin und wahrte im Ton die Umgangsformen bis zur Selbstverleugnung - dann hat sie vor Wochen den Kurs geändert. Jetzt nennt sie die Dinge beim Namen: Wenn deutsche Staatsbürger unter irrwitzigen Anschuldigungen in der Türkei verhaftet werden, wie etwa der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner, spricht etwa SPD-Kanzlerkandidat Schulz jetzt offen von "Geiseln". Und die Bundesregierung warnt vor Reisen in die Türkei.

Diese Kursänderung, so hatte es zumindest einige Zeit den Anschein, erzielte in Ankara durchaus Wirkung. Der Ton wurde moderater: Schließlich mag die Türkei weder auf deutsche Touristen noch auf das Engagement deutscher Firmen verzichten.

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Jens Thurau ist Korrespondent im DW-Hauptstadtstudio

Aber zuletzt schlug das Pendel wieder zurück: Erst rief Erdogan die wahlberechtigten türkischstämmigen Deutschen dazu auf, bei der Bundestagswahl im September weder Union noch SPD oder Grüne zu wählen - in seinen Augen alle Feinde der Türkei. Klar: Die Union steht für Erdogans Erzfeindin Angela Merkel, und die SPD verbindet der Autokrat am Bosporus vor allem mit Außenminister Sigmar Gabriel, dessen Sprache immer schon klarer war als die seines Vorgängers, des heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Und für die Grünen spricht einer der in der Türkei wohl meistgehassten deutschen Politiker, Parteichef Cem Özdemir. Er ist für Erdogan und viele andere nationalistische Türken schlicht ein Verräter am eigenen Volk, auch wenn er nie in der Türkei gelebt hat.

Eine neue Dimension

Eine neue Dimension ist nun die Verhaftung des deutschen Schriftstellers Dogan Akhanli während eines Urlaubs in Spanien. Auf Betreiben vermutlich von Erdogan und mit dem Vorwurf, Terroristen zu unterstützen, was sonst? Mittlerweile ist Akhanli wieder auf freiem Fuß, auch wenn er Spanien vorerst nicht verlassen darf.

Formaljuristisch mag das Verfahren korrekt sein: Die Türkei hatte über Interpol einen Haftbefehl gegen den Schriftsteller erwirkt. Aber es bleibt das Unbehagen, wie es überhaupt möglich ist, dass gegen jemanden wie Akhanli dieser Haftbefehl ausgestellt wird. Natürlich arbeiten die EU-Staaten in der Sicherheitspolitik auch mit der Türkei zusammen, aber diese im Kern eigentlich richtige Kooperation muss im Lichte des Gebarens der türkischen Regierung dringend überprüft werden.

Ein schwacher Trost

Für den Moment bleibt festzuhalten: Die klare Sprache der Deutschen ist richtig, ob bei verbalen Entgleisungen des türkischen Präsidenten oder im Fall willkürlicher Verhaftungen. Außenminister Gabriel hatte sich persönlich sofort in den Fall Akhanli eingeschaltet, forderte die Freilassung und zumindest konsularische Betreuung. Das ist in Spanien offenbar nicht ohne Wirkung geblieben. Gut so.

Für die in der Türkei inhaftierten Deutschen, für den Journalisten Deniz Yücel etwa oder den Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner, hat die neue klare Sprache allerdings noch keine guten Nachrichten gebracht, auch wenn die Haftbedingungen für Steudtner mittlerweile etwas gelockert wurden. Und die traurige Wahrheit ist: In diesen Fällen sind den Deutschen letztendlich die Hände gebunden. Nicht aber, so jedenfalls scheint es, wenn Erdogan seine paranoide Jagd auf alle Deutschen, die er als Feinde seiner Regierung sieht, jetzt auch auf andere Länder der EU ausweitet. Ein schwacher Trost, aber immerhin.
 

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