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Es bleibt spannend

Bernd Riegert29. November 2006

Die EU-Kommission hat den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union empfohlen, einen Teil der Beitritts-Verhandlungen mit der Türkei auszusetzen. Bernd Riegert kommentiert.

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Die Europäische Union hat alles versucht, der Türkei goldene Brücken zu bauen, um einen Kompromiss in der strittigen Zypern-Frage zu erreichen. Schließlich gaben die geduldigen finnischen Ratspräsidenten entnervt auf. Die türkische Regierung ist Schuld daran, dass sich die Lage jetzt erneut zuspitzt. Die Empfehlung der EU-Kommission, die Beitritts-Verhandlungen teilweise einzufrieren, ist die verdiente Quittung für die Verweigerung der Türkei, aber sie ist noch nicht das Ende der mühsamen Annäherung zwischen Europäischer Union und den türkischen Partnern.

Die Türkei hat sich vertraglich verpflichtet, das EU-Mitglied Zypern anzuerkennen. Diese Verpflichtung hat die Türkei bislang nicht eingehalten, deshalb hatte die EU-Kommission keine andere Wahl als Konsequenzen zu ziehen. Die EU kann sich von der Türkei, auch wenn sich beide Seiten gegenseitig brauchen, nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Wo bliebe da ihre Glaubwürdigkeit?

Die türkische Regierung sollte erkennen, dass die EU durchaus noch verhandlungswillig ist. Die Türkei hat immer noch bis zum 11.

Dezember Zeit einzulenken und zyprische Schiffe in ihre Häfen

einlaufen zu lassen. Erst dann werden die Außenminister der EU

entscheiden.

Die Kommission will die Beitrittsverhandlungen keineswegs abbrechen, was möglich gewesen wäre, sondern nur teilweise einfrieren. Das ist eine Geste an die Türkei, dass man weiterhin auf Annäherung setzt.

Die künftige EU-Ratspräsidentin Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, hat schon angedeutet, wie es weitergehen kann. Nach 18 Monaten, so Merkel, solle die EU überprüfen, ob sich die Türkei dann an die Bedingungen in Sachen Zypern hält. Dieser Zeitpunkt liegt nach den Wahlen in der Türkei und ermöglicht es der Regierung in Ankara vielleicht, ihre Landsleute auf das Unvermeidliche, nämlich die Lösung der Zypern-Frage vorzubereiten, sollte die Türkei dem EU-Klub ernsthaft beitreten wollen.

Richtig ist, dass die EU die Zypern-Frage hätte lösen sollen, bevor Zypern 2004 Mitglied der EU wurde. Doch das lässt sich jetzt nicht mehr rückgängig machen. Auf Seiten der Beitrittsgegner innerhalb der EU gibt es jetzt keinen Anlass zu Triumphgeheul.

Ebensowenig sollte sich die Regierung in Ankara jetzt in allzu provokative nationalistische Rhetorik flüchten. Wenn die Türken diesen bedauerlichen Rückschlag nur als nationale Kränkung empfinden und nicht als Aufforderung begreifen, Kompromisse zu schmieden, dann sind sie vielleicht politisch noch nicht reif einer Gemeinschaft von 27 oder mehr Staaten beizutreten, in der es ständig um Interessen-Ausgleich und Solidarität geht.

Bis zum Außenminister-Treffen oder spätestens bis zum Gipfel-Treffen der EU Mitte Dezember ist noch Zeit, sich zu besinnen. Sich in Ankara jetzt auf die Uneinigkeit der EU zu verlassen, die ja besteht, wäre ein riskantes diplomatisches Spiel. Die Briten sind dagegen, die Verhandlungen einzufrieren. Frankreich ist dafür. Die Bundesregierung, getragen aus einer großen Koalition von konservativen Beitrittsgegnern und sozialdemokratischen Befürwortern des Türkei-Beitritts, verhält sich neutral. Wir haben schon viele Entscheidungen der Türkei in letzter Minute erlebt. Es bleibt spannend.