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Kommentar: Handeln, nicht debattieren

Bernd Riegert10. Januar 2013

Die EU eröffnet das "Jahr des Bürgers": Eine überflüssige PR-Kampagne, die die Menschen in Europa wohl kaum begeistern wird, meint Bernd Riegert in seinem Kommentar.

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"2012 war ein weiteres miserables Jahr für die Europäische Union und 2013 wird auch nicht viel besser." Diese Aussage habe ich mir nicht ausgedacht. Sie stammt vom EU-Kommissar für soziale Fragen, Laszlo Andor, der am Dienstag (08.01.2013) die Arbeitslosigkeit in Rekordhöhe und eine wachsende Kluft zwischen arm und reich in der EU beklagte. Das sind die wahren Probleme in Europa, die dringend angepackt werden müssen. Die Kampagne, die die EU-Kommission zur Bürgerschaft und zum Bürgersinn in der EU am Donnerstag (10.01.2013) startet, erscheint da fast schon tragikomisch, der Wirklichkeit entrückt. Europa braucht jetzt keine weitere theoretische Debatte über die Identität und Selbsteinschätzung seiner Bürgerinnen und Bürger, sondern Taten. Konkrete Maßnahmen gegen die grassierende Arbeitslosigkeit sind gefragt.

Ein Europa, das heute für soziale Sicherheit sorgen will, ist beim Bürger sicherlich beliebter als eines, das sich auf alten Errungenschaften wie dem Binnenmarkt, der Reisefreiheit oder der gemeinsamen Währung ausruht. Den Friedensnobelpreis für die Aussöhnung der europäischen Völker hat die Union zu Recht erhalten, doch jetzt muss sie nach vorne schauen und sich fragen, was wollen und erwarten die Menschen von Europa? Das dringlichste Problem ist die Überwindung der Wirtschaftskrise in Europa, die man in Deutschland noch gar nicht richtig spürt.

"Europa braucht die nötigen Mittel"

Die richtigen Instrumente und nötigen Kompetenzen zur Bekämpfung von Wirtschaftsflaute und Arbeitslosigkeit hat die EU auch im fünften Krisenjahr immer noch nicht. Zuständig für Wirtschafts- und Sozialpolitik sind nach wie vor die nationalen Regierungen, nicht die Zentrale in Brüssel. Die koordiniert und kontrolliert lediglich. Wer von Europa Hilfe erwartet, muss Europa auch die nötigen Mittel zugestehen. Das ist die Botschaft, die die EU-Kommission im "Jahr der Bürger" ihren Bürgern vermitteln sollte. Die nationalen Regierungen und Parlamente müssten Kompetenzen abtreten. Dazu können sie nur von ihren Bürgern, den Wählern, gebracht werden.

Bernd Riegert (Foto: DW)
Bernd Riegert, EuroparedaktionBild: DW

Für einen spanischen Arbeitslosen oder einen Rentner in Griechenland oder auch einen euroskeptischen Bankangestellten in Großbritannien ist im Moment wohl nur schwer zu erkennen, wie Europa ihm nutzen könnte. Daran wird auch der Informations- und Veranstaltungszirkus im "Jahr der Bürger" nicht viel ändern. Nur wenn in Europa die Wirtschaft wieder flott gemacht wird und die Schulden sinken, haben die Bürger im Süden und Osten des Kontinents eine Chance auf Besserung. Eventuelle Erfolge werden sich die nationalen Politiker natürlich selbst an die Fahnen heften, für Misserfolge ist dann eher Brüssel zuständig. An diesem Mechanismus der Politik hat sich in den letzten vierzig Jahren wenig geändert und wird sich auch in den kommenden Jahren nicht viel ändern.

Europa ist kein Superstaat, hat kein einheitliches Staatsvolk und keine einheitliche Sprache. Romantische Träume von den Vereinigten Staaten von Europa führen in die falsche Richtung. Es gibt heute in Europa gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen. Nicht mehr und nicht weniger. Das "Jahr des Bürgers" ist überflüssig, wichtiger wäre ein "Jahr zur Eindämmung der Arbeitslosigkeit", damit das Jahr nicht ganz so miserabel wird wie das letzte.