1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Herausforderung Demokratie

20. Mai 2009

Das Grundgesetz lieferte den Rahmen der Bundesrepublik - einen, der sich nach sechs Jahrzehnten Praxis immer noch bewährt. Doch Selbstzufriedenheit ist auch im Jubiläumsjahr nicht angezeigt, findet Felix Steiner.

https://p.dw.com/p/Hu6T
Bild: DW

Die Bundesrepublik Deutschland heute: eine stabile, funktionierende Demokratie; ein geachtetes Mitglied der Völkergemeinschaft; ein Nachbar, vor dem niemand Angst haben muss; ein Land in historisch beispiellosem Wohlstand. Für viele andere Staaten inzwischen ein Vorbild.

All das war vor 60 Jahren keinesfalls absehbar. Die Bundesrepublik Deutschland 1949 - das war eine Staatsgründung in einem besetzten Land auf Drängen und von Gnaden der Amerikaner, Briten und Franzosen. Ein westdeutscher Teilstaat nur, und deswegen von deutschen Politikern allein als Provisorium akzeptiert. Ein Tag der Freude war der 23. Mai 1949 für die Deutschen nicht. Die hatten zu dieser Zeit noch ganz andere Sorgen: Wohnraum in den zerbombten Städten war knapp, sieben Millionen Vertriebene aus den ehemals deutschen Ostgebieten suchten eine neue Heimat, Arbeitsplätze waren Mangelware, mehr als eine Million deutsche Männer vermisst oder noch in Kriegsgefangenschaft. Und nicht zuletzt: Angesichts der beispiellosen Verbrechen des Nationalsozialismus war Deutschland 1949 der Paria der Weltgemeinschaft.

Weitsicht und Wohlstand

Was hat diesen Wandel, den Erfolg der Staatsgründung vor 60 Jahren möglich gemacht? Im Wesentlichen zwei Dinge: Die Bundesrepublik wurde von hervorragenden Kanzlern regiert. Zu nennen sind insbesondere Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Kohl. Adenauer, skeptisch gegenüber dem eigenen Volk, verankerte das Land fest in der westlichen Wertegemeinschaft und verhinderte so jeden weiteren fatalen deutschen "Sonderweg", der Europa in zwei Weltkriege geführt hatte. Brandt, der den deutschen Nachbarn im Osten über die ideologische Grenze des Eisernen Vorhangs hinweg die Hand zur Versöhnung reichte. Und Helmut Kohl, der die Deutsche Einheit so gestaltete, dass nirgendwo Angst vor einem wieder erstarkenden Deutschland entstand.

Der zweite Grund ist zweifelsohne der wirtschaftliche Erfolg der Bundesrepublik. Mit dem wachsenden Wohlstand ab den 1950-er Jahren wuchs sprunghaft auch das Vertrauen der Deutschen in den Wert der freiheitlichen Demokratie. Radikale Parteien - egal ob von rechts oder links - hatten seither bei keiner Bundestagswahl mehr Erfolg. Und auch die einzige freie Parlamentswahl in der Geschichte der DDR im Frühjahr 1990 war nicht allein ein Votum für die Freiheit, sondern in erster Linie ein Votum für den Weg zum Wohlstand nach bundesdeutschem Vorbild.

Dieser Befund macht deutlich: Selbstzufriedenheit ist auch im Jubiläumsjahr nicht angezeigt. Eine stabile Demokratie ist ein Wert an sich - auch über ökonomische Krisen hinweg. Wenn aber der Anteil der Deutschen seit Jahren anwächst, denen soziale Sicherheit und eine nicht näher definierte gesellschaftliche "Gerechtigkeit" wichtiger ist als die Freiheit, so muss das alarmieren. Denn "Gerechtigkeit" haben sich auch totalitäre Systeme immer wieder auf die Fahnen geschrieben - Freiheit jedoch gibt es nur in der Demokratie. Insofern ist Freiheit kein unabänderlicher Zustand, sondern etwas, was in einer lebendigen Demokratie jeden Tag neu gesichert und erstritten werden muss. Von Bürgerinnen und Bürgern, die diese Demokratie tragen, sich in ihr engagieren. Dafür schafft das deutsche Grundgesetz auch 60 Jahre nach seiner Verkündung einen hervorragenden Rahmen.

Autor: Felix Steiner

Redaktion: Dеnnis Stutе