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Kommentar: Erfolgreich umgedacht

Joscha Weber4. Juli 2014

Wer braucht bezaubernden Offensivfußball, wenn er erfolgreichen Ergebnisfußball haben kann? Niemand. Die deutsche Elf hat zurück zu ihren Wurzeln gefunden, meint DW-Sportredakteur Joscha Weber.

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Fußball WM 2014 Deutschland Frankreich Viertelfinale
Bild: picture-alliance/dpa

Ich gebe zu: Auch mich hat der Hurrafußball der deutschen Mannschaft in den letzten Jahren begeistert. Rasante Kombinationen, endlose Passstafetten, riskantes Offensivspiel - wunderschön anzuschauen. Dass man sich bei vier geschossenen Toren, dann auch hinten schnell mal zwei, drei Gegentreffer einfing: Schwamm drüber, war ja ein Spektakel und unter dem Strich passte die Bilanz ja schon. Deutschland spielte eine starke WM-Qualifikation, aber eben auch gegen nur mäßig starke Gegner, da konnte man sich einiges erlauben. Bei der WM in Brasilien ist das anders. Hier zählt das nüchterne Ergebnis, Fehler werden gnadenlos bestraft, sind in der Gluthitze nur schwer zu korrigieren. Bundestrainer Joachim Löw hat das erkannt und radikal umgedacht: vom mitreißenden Offensivfußball der vergangenen Monate hin zu einem nüchtern-effizienten Ergebnisfußball. Dafür gebührt ihm viel Anerkennung.

Der Verlockung widerstanden

Denn allzu verlockend wäre es gewesen, Deutschlands geballtes Kreativpotential auch bei der WM in Brasilien einfach mal von der Kette zu lassen. Es hätte ihm besonders bei spielerisch leicht aussehenden Erfolgen in der Gruppenphase sicher viel frühen Applaus beschert. Sich aber gegen diese verlockende Option zu entscheiden, zeigt, dass der Bundestrainer dieses Mal wirklich nur eins will: den Erfolg.

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Joscha WeberBild: DW

Dafür sprang er sogar über seinen Schatten. Er beorderte Philipp Lahm zurück in die Abwehr, obwohl er sich öffentlich stets für dessen Positionierung im defensiven Mittelfeld stark gemacht hatte. Das mag kurz vor dem Frankreich-Spiel eine verbale Finte gewesen sein, davor war es jedoch seine aufrichtige Überzeugung, die er eisern vertrat - und dann doch auf den Prüfstand stellte: Mit Lahm in der Abwehr erhielt die Defensive gegen die schnellen Außenstürmer Frankreichs mehr Souveränität und Stabilität, das war wichtiger als die eigene Überzeugung für Löw. Und das Kalkül ging auf: Nie in diesem Turnier spielte die Abwehrreihe so sicher und abgezockt wie gegen die Franzosen. Die kompakte Defensivreihe war die Basis für den Einzug ins Halbfinale.

Die richtige Philospohie

Dieses 1:0 gegen Frankreich war sicher nicht das schönste Spiel dieser begabten deutschen Mannschaft und doch war es eines des besten. Denn bei heißen Temperaturen und praller Mittagssonne auf dem Rasen eine wichtige Partie nahezu sicher nach Hause zu bringen, zeugt von Reife und der richtigen Taktik. Joachim Löw hat umgedacht: von riskant-schön auf sachlich-erfolgreich - eine Philosophie, die dem deutschen Spiel bei Turnieren immer schon gut getan hat und die das DFB-Team nun tatsächlich bis zum WM-Titel führen kann.