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Erdogans Kalkül

Mechthild Brockamp24. Oktober 2007

Angesichts eines drohenden türkischen Einmarsches im Nordirak hat die irakische Regierung Unterstützung gegen die PKK zugesagt. Doch noch lässt die türkische Regierung Vernunft walten, meint Mechthild Brockamp.

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Bild: DW

Das türkische Militär könnte im Kampf gegen die PKK in den Nordirak einmarschieren, aber die Generäle dürfen noch nicht und das ist gut so. Denn die türkische Regierung lässt Vernunft walten und setzt zunächst auf Diplomatie. Die Frage ist nur: Wie lange hält die Regierung durch?

Für Erdogan wird die militärische Zurückhaltung zunehmend zu einem Drahtseilakt. Die Stimmung in der Bevölkerung ist explosiv. Immer weniger Türken verstehen angesichts des PKK-Terrors, weshalb der Ministerpräsident noch nicht von seinem Mandat Gebrauch macht. Doch Erdogan hat gute Gründe.

Konfrontation mit den USA

So ist die PKK durch einen türkischen Groß-Angriff in den Bergen Irakisch-Kurdistans wohl nicht zu besiegen. Das haben bereits mehrere erfolglose Offensiven der türkischen Truppen gezeigt. Zudem weiß Erdogan, dass ein großangelegter Einmarsch im Nordirak die Kurden im eigenen Land wieder auf die Seite der PKK treiben könnte.

Außenpolitisch geriete die Türkei zudem in Konfrontation mit den USA, denn die Amerikaner wollen eine weitere Kriegsfront im Irak auf jeden Fall verhindern und nicht zuletzt könnte sich eine türkische Front im Nordirak auch negativ auf einen EU-Beitritt des Landes auswirken. Die Türkei würde also durch eine Großoffensive nur verlieren, während die PKK aus einer Eskalation der Gewalt gestärkt hervorginge, weshalb die separatistischen Rebellen auch genau diese, für sie wenig riskante Strategie verfolgen.

Gute Terroristen, schlechte Terroristen

Deshalb sucht der türkische Ministerpräsident den Konsens mit den unmittelbar Beteiligten -also den USA, der irakischen Regierung in Bagdad und der kurdischen Regionalregierung in Erbil. Vor allem die USA will Erdogan auch in eine mögliche militärische Lösung einbinden. So könnte der türkische Regierungschef der Bevölkerung und den Generälen zwar zeigen, dass er die PKK nicht mehr ungestraft agieren lässt. Eine Militäraktion der USA würde das Problem aber nur kurzfristig lösen.

Außerdem bleibt abzuwarten, ob sich die USA überhaupt militärisch einbinden lassen, Denn die US-Regierung verfolgt im Nordirak eigene Interessen und misst zudem mit zweierlei Maß. Hier schlechte Terroristen, da gute. Die PKK zählt zu den schlechten, sie wird offiziell als Terrororganisation eingestuft, aber ein kurdisch-iranischer Ableger der PKK, der ebenfalls im Nordirak Lager unterhält, zählt zu den guten Terroristen. Diese Organisation erhält sogar Waffen aus den USA, um das Regime im Iran zu schwächen.

Wichtige Verbündete im Nordirak

Auf der anderen Seite ist weder die irakische Regierung in der Lage noch sind die kurdischen Peschmerga gewillt, gegen PKK-Stellungen im Nordirak vorzugehen. Zugleich sind die Peschmerga wichtige Verbündete der USA im Kampf gegen Al Kaida-Terroristen im Nordirak.

Da sich alle Seiten zurzeit darauf verständigt haben, zunächst eine politische Lösung zu finden, bleibt der Türkei nun die Möglichkeit, diverse Sanktionen etwa gegen den Präsidenten der nordirakischen Autonomieregion, Massud Barsani zu verhängen, in dessen Einflussgebiet sich die PKK verschanzt hat.

In weiteren Schritten könnte Gesprächs- und Kompromissbereitschaft der türkischen Regierung die PKK vielleicht dazu bringen, ihren Kampf für ein autonomes Kurdengebiet in der Türkei aufzugeben. Viele Anhänger hat die PKK dort offenbar nicht mehr, wie die letzten Wahlen gezeigt haben. Ein Teil der Kurden hat die regierende AKP gewählt. Eine andere, dauerhaft friedliche Lösung gibt es nicht. Bleibt zu hoffen, dass es dafür nicht zu spät ist und letztlich doch die Generäle das Sagen haben.