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Einheit im Leid

Christoph Strack30. November 2014

Offiziell sind die katholische Kirche und die orthodoxe Kirche getrennt, noch getrennt. Doch das Leid Hunderttausender führt sie unerwartet zusammen, meint DW-Kirchenexperte Christoph Strack.

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Bartholomaios I. (r.)segnet Papst Franziskus in Istanbul
Bartholomaios I. (r.) segnet Papst Franziskus in IstanbulBild: Reuters/T.Gentile

"Die heutigen Christenverfolger fragen nicht, welcher Kirche ihre Opfer angehören." Der Satz von Patriarch Bartholomaios I. könnte genau so von Papst Franziskus kommen, der ihm an diesem Sonntag in Istanbul aufmerksam zuhörte. Die Spitzen von West- und Ostchristen stehen für ein Miteinander, ja eine Freundschaft, die geschichtlich einmalig ist. Das Leid so vieler Menschen in Syrien und dem Irak unter dem Terror des "Islamischen Staats" bringt sie noch näher zusammen. Christen, die seit bald 2000 Jahren zwischen Euphrat und Tigris leben, Jesiden und Andersgläubige stehen vor der Vernichtung.

Der Draht, den das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Franziskus, und Bartholomaios I. I., Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche, zueinander haben, ist beispiellos. Im Mai trafen sie sich in Jerusalem, im Juni in Rom, nun vier Mal in eineinhalb Tagen in Istanbul, dem orthodoxen Konstantinopel. Noch im 20. Jahrhundert herrschten zwischen beiden Seiten Kirchenbann, Verachtung und Arroganz - nun sprechen sich die Chefs als "Bruder" an. Und Franziskus beugte sich tief vor dem drei Jahre jüngeren Bartholomaios I. und bat ihn um seinen Segen: für den Papst und die Kirche von Rom. Bartholomaios I., sprachgewandt und gebildet, bereits seit 1991 im Amt, ist ein Segen für das Miteinander der Kirchen - wohl wie Franziskus als Gegenüber.

Christoph Strack (Foto: DW)
DW-Kirchenexperte Christoph StrackBild: DW

Emotionale Annährung vor der offiziellen

Schnelle Schritte der formellen Aussöhnung, knapp 1000 Jahre nach der Spaltung von 1054, wird es gewiss nicht geben. Der Grieche muss das Kunststück fertigbringen, die russisch-orthodoxe Kirche in sein Boot zu holen. Moskau sieht sich als drittes Rom und fährt seinen eigenen Kurs. Aber schon der Blick auf die Ukraine - mit ihren Verwerfungen auch kirchlicher Art - zeigt die Notwendigkeit der Annäherung. Oft genug in den vergangenen Jahrhunderten erschütterten Religionskriege Europa.

Papst und Patriarch sprachen auch die Ukraine an, weil sie die Perspektive der Notleidenden einnehmen. In diesem Land mit alter christlicher Tradition sollten alle Verantwortlichen auf den Weg des Dialogs und des Respekts vor internationalem Recht zurückkehren. Aber vor allem schauen sie auf die Opfer des "Islamischen Staats", auf Sklaverei und Martyrium. Gemeinsam riefen sie in dramatischen Worten die Muslime in aller Welt zum Kampf gegen Gewalt im Namen des Glaubens auf. "Wir können uns einen Mittleren Osten nicht vorstellen ohne Christen, die dort seit 2000 Jahren den Namen Jesu bekennen." Und jetzt vereint deren Leid, deren Martyrium die Kirchen. Die Verbundenheit im Leid überwindet jede konfessionelle Hürde. Und fordert die Kirchen heraus.

Geistliche rücken Flüchtlinge in den Mittelpunkt

Da mögen Muslime in der westlichen Welt sagen, sie täten dies doch bereits. Aber die Not der Flüchtlinge, von denen Franziskus zum Ende seiner Reise einige traf, zeigt, dass mehr geschehen muss. Damit schloss sich ein Kreis zum Auftakt der Reise. Da hatte der Papst dem türkischen Präsident Reccep Tayip Erdogan für die Aufnahme von rund zwei Millionen Flüchtlingen gedankt und bei der internationalen Gemeinschaft Unterstützung angemahnt.

Erdogan selber kann daran anknüpfen. An diesem Montag kommt Russlands Präsident Wladimir Putin nach Ankara.