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Einfach nur abstoßend

Alexander Kudascheff4. Februar 2015

Angesichts des neuen grausamen Videos der islamistischen Terroristen aus Syrien bleibt man sprachlos zurück. Abermals wird deutlich: Der IS fordert die ganze Welt heraus, meint DW-Chefredakteur Alexander Kudascheff.

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Videostill Kenji Goto mit Foto von Muath al-Kasaesbeh Pilot IS Geisel 27.01.2015
Bild: picture-alliance/AP Photo

Der jordanische Fliegerleutnant Muas al-Kasasba ist tot. Er wurde vom sogenannten "Islamischen Staat" bei lebendigem Leibe verbrannt. Eingesperrt in einen Käfig erlitt er ein unvorstellbares Martyrium. 20 Minuten dauerte sein Todeskampf - nachdem er erkennbar davor schon schwer misshandelt worden war. In der schier unvorstellbaren Eskalation der immer neuen Grausamkeiten ist dieses Autodafé, diese öffentliche Verbrennung, nur noch abstoßend, widerwärtig, ekelhaft. Sie hantiert mit den niedrigsten Instinkten, sie eskaliert den Terror der Grausamkeit.

Was kommt als nächstes?

Erst wurde vom IS in die Sklaverei hinein verschleppt, vertrieben, misshandelt, vergewaltigt, gemordet, ganze Dörfer ausradiert, Jesiden, Christen, Andersgläubige vernichtet, dann öffentlich enthauptet - jetzt öffentlich verbrannt. Was werden sich die selbst ernannten islamistischen Gotteskrieger noch ausdenken, was werden sie im totalitären Wahn ihres Machtrauschs noch tun? Gibt es überhaupt noch eine Steigerung ihrer Grausamkeit, gibt es noch eine Steigerung ihrer Videoinszenierungen, ihrer Ikonographie des Terrors und der angeblichen "Rückkehr zu den Wurzeln des wahren, des reinen, des ursprünglichen Islam"?

Der IS fordert alle heraus. Zuerst die Länder, in denen er wütet, also Syrien und der Irak. Dann die Nachbarn - von Jordanien über die Türkei bis zum Iran. Die ganze Region - sei es Saudi-Arabien oder Ägypten. Und schließlich die Welt - von der EU über die USA bis hin zum ja ebenfalls terroristisch bedrohten Russland. Es geht nicht mehr um ein paar erfolgreich geführte und gezielte Luftschläge. Es geht auch nicht nur um die Unterstützung der kurdischen Peschmerga mit Waffenlieferungen. Es geht nicht um das selbstverständliche Asyl für die Hunderttausende, die Millionen von Flüchtlingen. Es geht nicht mal mehr - so bitter das auch sein mag - um das politische Schicksal des syrischen Diktators Baschar al-Assad.

Alexander Kudascheff DW Chefredakteur Kommentar Bild
DW-Chefredakteur Alexander KudascheffBild: DW/M. Müller

Der IS muss nicht nur bekämpft, sondern vernichtet werden

Jetzt geht es darum, den IS zu vernichten. Ihn militärisch zu zerstören, so wie man einst vor 800 Jahren auch die Assassinen vernichtet hat. Es geht um einen zuerst militärischen Feldzug, sich der Herausforderung zu stellen, den IS zu besiegen - auch wenn der Tod von al Baghdadi und seinen Dschihadisten sicher neue Gefolgsleute nach sich ziehen wird. Das gesellschaftliche und politische Austrocknen der Faszination des gewalttätigen Dschihadismus wird dann erst der zweite Schritt sein.

Ein schwieriger Schritt übrigens, wie man im zerfallenden, sich entstaatlichenden Nahen Osten sehen kann - im Jemen, in Libyen und auch an den sich leicht ideologisch entzündenden Rändern des Westens oder im Kaukasus. Aber dieser Aufgabe müssen sich die arabischen Gesellschaften selbst stellen. Sie entscheiden darüber, ob sie einen multikulturellen, multireligiösen Nahen Osten wollen, oder ob sie im Strudel des fanatischen Islamismus versinken.

Die Reaktion Jordaniens, die Dschihadistin al-Rischawi und das Al-Kaida-Mitglied Karbuli hinzurichten, mag als Racheaktion in Jordanien Zustimmung finden. Es mag auch den Interessen der beduinischen Stammesgesellschaft des haschemitischen Königreichs Rechnung tragen. Aber sie war alttestamentarisch - und nicht rechtsstaatlich. So trägt sie vielleicht vorübergehend zur inneren Stärkung bei, aber führt wahrscheinlich zu einer weiteren Eskalation der Gewalt.