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Kommentar: Eine berechtigte Mahnung

Christoph Strack7. Mai 2014

Viren aus dem Labor in der Hand von Bioterroristen - Sicherheitsexperten warnen vor einem solchen Szenario. Der Deutsche Ethikrat empfiehlt mehr Kontrolle. DW-Redakteur Christoph Strack kommentiert.

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Christoph Strack, Redakteur im DW-Hauptstadtstudio
DW-Redakteur Christoph StrackBild: DW

Massenvernichtungswaffen, Bioterroristen, hochgefährliche Viren … Nein, hier geht es nicht um Science Fiction oder den nächsten Plot aus Hollywood. Mit solchen Begriffen leitet der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme zur Biosicherheit ein. Alarmstimmung.

Bei allem Lobgesang auf "Freiheit und Verantwortung in der Wissenschaft": Die 26 Mitglieder des Gremiums wollen Einschränkungen für offensichtlich hochbrisante Forschung. Sie fordern den Bundestag zu gesetzgeberischem Handeln auf und wollen eine Kommission zur Beratung und Bewertung konkreter Forschungsvorhaben. Ähnlich wie beim einst so umstrittenen Thema der Forschung an embryonalen Stammzellen. Und die Bundesregierung soll sich nach dem Willen der Ethikexperten dringend für völkerrechtlich verbindliche und vertraglich geregelte Festlegungen einsetzen.

Alarmismus? Schließlich geht es bei anspruchsvoller naturwissenschaftlicher Forschung - soll sie denn wirklich neue Erkenntnisse bringen - immer um Neuland. Und also um Grenzüberschreitung, um Risiken und Verantwortung, auch um Dilemmata. Die Freiheit der Forschung ist ein hohes Gut in Deutschland. Und nicht nur in Deutschland. Aber ein wiederholt in der 300-seitigen Stellungnahme auftauchender Begriff zeigt die Schwere des Problems: "Dual Use Research of Concern“ (DURC). Dual Use" – sonst kennt man diesen Begriff der Doppelverwendbarkeit eher bei Kernwaffen. Es geht um die Gefahr, dass Terroristen Material aus gutgemeinter Forschung plötzlich für Biowaffen verwenden.

Konkreter Anlass für den Ethikrat, sich mit der Biosicherheit zu befassen, war die Vogelgrippe, die 2005 zahlreiche asiatische Länder (medizinisch, dann auch wirtschaftlich) traf und nach Europa und Afrika weiterzog. Um gewappnet zu sein gegen eine auch für den Menschen gefährliche Variante, erzeugten Forscher in Labors Mutationen des Virus. Und wollten ihre Erkenntnisse veröffentlichen. Seitdem diskutieren Wissenschaftler und Terrorismusexperten mehr oder weniger sensibel über den "Umgang mit besorgniserregender biosicherheitsrelevanter Forschung". Und neben dem länger etablierten Begriff "Biosafety" taucht immer häufiger der Begriff "Biosecurity" auf - eine Unterscheidung, die das Deutsche so kaum kennt.

Und die Vogelgrippe ist beileibe kein Einzelfall. Die Ethikräte nennen Pocken- Ebola- und Lassaviren als weitere Beispiele für – zumal in einer globalisierten Welt - hochgefährliches Material. Und die Wirklichkeit hat das jetzt vorgelegte Dokument schon überholt: Voller Sorge schauen Gesundheitsexperten in aller Welt auf das MERS-Virus, ein noch rätselhaftes, mit dem SARS-Erreger verwandtes Virus. Mehr als 40 Prozent der Infizierten sterben. Die meisten Krankheits- und Todesfälle gibt es in Saudi-Arabien. Aber das Virus ist in einem Fall bereits in den USA angekommen.

Nun mag der deutsche Gesetzgeber angesichts dieser Dimensionen typisch deutsch tapfer regelnd ins Feld ziehen. Bestenfalls die Weltgemeinschaft im Rahmen der UN wird da etwas ausrichten können. Aber der Appell des Ethikrats an die deutsche Exekutive und Legislative kann doch der Anstoß sein, entschiedener auf solche Regelungen zu drängen.

Übrigens: Zum dritten Mal hat eine Bitte der Bundesregierung den Deutschen Ethikrat dazu gebracht, sich mit einem Thema zu befassen. Zuvor war das bei der vor gut einem Jahr vorgelegten umfangreichen Stellungnahme zur Zukunft der genetischen Diagnostik der Fall. Da sahen die Experten rechtlichen Handlungsbedarf und empfahlen unter anderem Änderungen am Gendiagnostikgesetz. Allerdings: Im schwarz-roten Koalitionsvertrag vom Dezember 2013 findet sich dazu kein Wort. Wertschätzung sieht anders aus.

Apropos Wertschätzung: Schon seit Jahren klagt der Ethikrat über unzureichende finanzielle Förderung durch den Bund. Seit seiner Einrichtung 2008 hat sich der Etat nicht um einen Cent erhöht. Bereits im Jahresbericht 2012 kündigte das Gremium Einschränkungen bei öffentlichen Veranstaltungen an. Passiert ist: nichts. Groß war der politische Gezänk um den (ohne gesetzliche Grundlage 2001 eingerichteten) Nationalen Ethikrat. Laut klangen die selbst lobenden Regierungsworte nach der Etablierung des "Deutschen Ethikrats" durch den Bundestag als Gesetzgeber. Tatsächlich Tag für Tag lässt sich im Internet die Rezeption der deutschen Ethikberatung in vielen Ländern der Erde nachlesen. Gute ethische Expertise hat eben ihren Wert. Aber auch ihren Preis.