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Ein nachdenklicher Bischof für Berlin

24.10.2013 DW Quadriga Studiogast John Berwick
John Berwick
8. Juni 2015

Der neue Berliner Erzbischof Heiner Koch dürfte eine wichtige Stimme auf der kommenden Synode zu Ehe und Familie sein. Viele fragen: Ist Koch liberal oder konservativ? Doch das ist nicht der Punkt, meint John Berwick.

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Kirchenweihung in leiüzig mit Bischof Heiner Koch - Foto: Jan Woitas (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Rheinländer sind fröhlich und aufgeschlossen. Als begeisterter Fußballfan, Freund des Karnevals und Musikliebhaber scheint Heiner Koch in dieses Klischee zu passen. Aber der kleine rundliche Bischof mit dem weißen Schopf und strahlenden Augen gibt sich in jüngster Zeit ruhiger und nachdenklicher. Beeinflusst haben ihn seine zwei Jahre als Bischof von Dresden-Meißen, also im früher kommunistischen Ostdeutschland. Nur vier Prozent der Bevölkerung dort sind katholisch.

Heiner Koch hat nicht seine ansteckende Lebensfreude verloren. Aber es scheint ihm bewusst geworden zu sein, wie wichtig es für einen Bischof ist, ohne ideologische Scheuklappen auch Normalbürgern zuzuhören, die versuchen, ihrem Leben einen Sinn zu geben. Diese Erfahrung wird ihm helfen, wenn er jetzt in die größtenteils nicht-christliche und sehr unkatholische deutsche Hauptstadt zieht.

Wie will der Papst die Kirche wiederbeleben?

Kirchenmann Koch leitet bereits die Kommission für Ehe und Familie der Deutschen Bischofskonferenz. Jetzt als Erzbischof, möglicherweise mit Aussicht auf die Kardinalswürde, könnte er eine einflussreiche Stimme auf der Familiensynode kommenden Oktober in Rom sein. Papst Franziskus will mit den Bischöfen dann ehrlich und offen auch über kontroverse Themen diskutieren, wie die Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene und der Umgang der Kirche mit Homosexuellen. Deshalb fragen sich nicht nur viele in Deutschland ob der Neue in Berlin ein Liberaler oder Konservativer ist. Leider geht dies an der eigentlichen Frage vorbei: Wie nämlich Papst Franziskus der katholischen Kirche wiederbeleben will.

Über die Jahrhunderte haben viele Christen ihren Glauben an Kirchendogmen und Moralvorschriften verloren. Und viele Katholiken sind offensichtlich inzwischen der Überzeugung, dass es im Glauben nicht um Ideologien wie Konservativismus oder Liberalität gehen sollte. Bereits vor 35 Jahren hat einer der Impulsgeber für das 2. Vatikanische Konzil, der deutsche Theologe Karl Rahner, geschrieben: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein, oder nicht mehr sein." Will heißen: Der Glaube muss in einer persönlichen Beziehung zu Gott gelebt werden oder er wird untergehen. Der persönliche Kampf, seinem Leben einen Sinn zu geben, ist nicht nur ein schmerzhafter Prozess, vor dem uns niemand bewahrt, sondern es ist auch der höchste Ausdruck der uns von Gott gegebenen Freiheit.

John Berwick - Foto: DW
DW-Redakteur John Berwick

Kirche soll kein Richter sein

Theologie kann Orientierung geben, Geistliche können Wege aufzeigen, christliche Gemeinden können unterstützen - aber niemand hat das Recht, über andere zu urteilen. Das ist die Grundlage des inzwischen berühmten Satzes von Papst Franziskus über Homosexuelle in der Kirche: "Wer bin ich über sie zu urteilen, wenn sie in gutem Glauben den Gott suchen?" Ein Satz, der Liberale frohlocken ließ, während Konservative mit Grausen die Hände über dem Kopf zusammenschlugen.

"Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet" ist eine zentrale Lehre in der Bergpredigt und eines der Hauptmotive im Leben und Werk von Jesus von Nazareth. Der neue Berliner Erzbischof Heiner Koch scheint diesem Glaubensverständnis tief verbunden zu sein. Er ist damit ein Kirchenmann ganz im Sinne von Papst Franziskus. Kochs Kommission für Ehe und Familie hat im März einen Bericht veröffentlicht, in dem steht, dass die Kirche dafür sorgen sollte offen, vorurteilslos und nichtmoralisierend mit denjenigen ins Gespräch zu kommen, die nicht in vollkommener Übereinstimmung mit christlichen Regeln leben können oder wollen.

Jeder glaubt auf seine Weise

Bischof Koch selbst geht sogar noch ein Stück weiter: In einem Interview in Dresden sagte er "jeder Mensch ist ein Gläubiger." Der Eine glaube, mit dem Tod sei alles aus, es gebe kein Weiterleben und keinen Gott. Der Nächste glaube, dass es einen Gott und ein Weiterleben gibt und dass mit dem Tod nicht alles aus sei. Was ist Leben, was ist Welt, was ist Gott?, sei eine offene Frage, so Koch. "Diese offene Frage wach- und im Bewusstsein zu halten, das halte ich für die große Aufgabe, die wir im Moment als Kirche haben."

Papst Franziskus hat 2016 zum Jahr der Gnade erklärt. Ein Motto, das der Welt augenscheinlich gerade besonders gut ansteht.