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Kommentar: Durch die Blume

Matthias von Hein, Leiter der China-Redaktion29. März 2014

Öffentlich war von Chinas Präsident Xi Jinping bei seinem Besuch in Berlin kein Wort zur Ukraine zu hören. Und doch hat das Thema neben Menschenrechten und Wirtschaft eine Hauptrolle gespielt, meint Matthias von Hein.

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Deutsche Welle Chinesische Redaktion Matthias von Hein
Bild: DW

Kein anderes Land in Europa unterhält so enge Beziehungen zu China wie Deutschland. Dass die vor allem wirtschaftlicher Art sind, wurde auch beim Staatsbesuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping deutlich: Eine Fülle von Verträgen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen gehört mit zur Bilanz des ersten Besuchs eines chinesischen Staatschefs in Deutschland seit acht Jahren – inklusive des Bekenntnisses zum Ausbau Frankfurts zu einem Handelszentrum für die chinesische Währung Yuan in der Euro-Zone. Aber diese Beziehungen gehen weiter. Es herrscht ein politisches Vertrauensverhältnis zwischen Berlin und Peking. Das ist anscheinend so groß, dass auch das für chinesische Politiker so unangenehme Thema Menschenrechte angesprochen werden kann. Vor allem dann, wenn es so freundlich, aber entschieden geschieht, wie das Bundespräsident Gauck getan hat.

Jetzt sollen diese ohnehin engen Beziehungen weiter ausgebaut werden: Zu einer „umfassenden strategischen Partnerschaft“, wie es in der gemeinsamen Erklärung heißt. Und die soll ausdrücklich einen strategischen und sicherheitspolitischen Dialog enthalten. Für Deutschland und China, die sich bisher in ihrer Kooperation neben dem Thema Wirtschaft vor allem auf Umwelt, Bildung und Kultur beschränkt haben, ist das neu. Dahinter steckt die Absicht Berlins, Peking international stärker in Konfliktlösungen einzubinden und näher an Positionen des Westens zu führen. Die Krim-Krise hat dafür ein Fenster aufgestoßen. Denn Peking kann mit Moskaus Vorgehen nicht einverstanden sein. Territoriale Integrität und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder sind grundlegende Prinzipien chinesischer Außenpolitik. Russlands Bestehen auf dem Selbstbestimmungsrecht der Krim-Bewohner, untermauert mit einem Referendum, lässt angesichts der Autonomiebestrebungen etwa der Tibeter und Uiguren in Peking die Alarmglocken läuten. Zwar hat Xi Jinping angesichts der engen wirtschaftlichen und politischen Verflechtung Chinas mit Russland jede öffentliche Kritik an Putin vermieden.

Doch nicht zufällig wird in dem Abschlussdokument auf den 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges Bezug genommen. Ausdrücklich setzen sich darin beide Seiten für eine – so wörtlich: „friedliche Lösung von regionalen und internationalen Streitigkeiten und Konflikten auf der Basis des internationalen Rechts“ ein. In einer Rede zur Außenpolitik am Freitag Abend (28.03.) drückte Xi zudem die chinesische Ablehnung von Hegemonial- und Machtpolitik aus. Deutlichere Worte zur Krim-Krise wären schön gewesen – und man kann nur hoffen, dass sie wenigstens hinter verschlossenen Türen gefallen sind. Und doch bietet schon diese verklausulierte Kritik einen Anhaltspunkt, dass Peking das Kielwasser Moskaus verlässt. Vielleicht kann man hoffen, dass China – wohl ebenfalls hinter verschlossenen Türen – mit seinen russischen Partnern Klartext redet. Bundespräsident Gauck hat jedenfalls Recht, wenn er betont, dass keines der großen Probleme des 21. Jahrhunderts ohne oder gar gegen China gelöst werden kann. Xi Jinping wiederum wurde nicht müde zu betonen, wie wichtig Frieden und ein friedliches Umfeld für China sind. Wenn das so ist, sollte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sich stärker zu internationalen Standards bekennen und mehr für deren Einhaltung tun. Bislang hat Peking unangenehme internationale Aufgaben gerne anderen überlassen und ist ansonsten im Windschatten Moskaus gesegelt. Vielleicht sieht Peking jetzt, dass die verlässlicheren Partner im Westen sitzen.