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Politik

Die Zwei-Staaten-Illusion

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Alexander Kudascheff
19. Februar 2017

Donald Trump hat diese Woche einmal mehr Schlagzeilen gemacht, als er öffentlich von der Zwei-Staaten-Lösung für den Nahostkonflikt abrückte. Doch das war nur der Abschied von einer Illusion, meint Alexander Kudascheff.

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Symbolbild Palästina Israel Flaggen Konflikt
Bild: picture-alliance/dpa

Die Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten für Israel und die Palästinenser gehört zum Standardrepertoire der internationalen Diplomatie. Sie wird unablässig beschworen - in der UNO ebenso wie auf Nahost-Konferenzen, EU-Gipfeln, G7- oder G20-Treffen.  Wer sich mit der ungelösten palästinensischen Frage im Heiligen Land befasst,  fordert engagiert und emphatisch einen Staat für die Palästinenser - an der Seite der Israelis.  Dann - so der allgemeine Tenor - ist endlich Frieden im Nahen Osten möglich.

Die Araber, die sich selbst lähmten

Die Realität dieser unentwegt beschworenen Vision ist anders: Sie ist längst eine Illusion geworden. Seit 1967 - seit dem Sechs-Tage-Krieg vor fast 50 Jahren - hält Israel das Westjordanland besetzt, den Gaza-Streifen und damals auch den Sinai. Nach dem Sechs-Tage-Krieg gab es ein Treffen der Arabischen Liga im sudanesischen Khartum, das die Wut und die Ohnmacht nach der demütigenden Niederlage der arabischen Länder gegen den "israelischen David" in ein dreifaches Nein umwandelte: nein zu Israel, nein zu Verhandlungen, nein zum Frieden. Und damit zementierten sich die arabischen Länder ein, und der Aufstieg der PLO als Machtfaktor begann - nicht zuletzt auch durch Terror, wie beispielsweise dem Anschlag während der Olympischen Spiele in München 1972.

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DW-Chefredakteur Alexander Kudascheff

Aus dem Teufelskreis der Verweigerung hat sich nur der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat heraus gewagt. Er flog  1977 nach Israel, sprach in der Knesset, verhandelte mit dem israelischen Falken Menachem Begin, schloss  Frieden mit dem ehemaligen Erzfeind - einen "kalten Frieden" zwar, der aber immerhin bis heute hält - und bekam den Sinai zurück. Das Prinzip Sadats hieß: Land gegen Frieden. Und das ist das Prinzip, das auch der Zwei-Staaten-Lösung zugrunde liegt: Israel gibt die besetzten Gebiete zurück und wird dafür im Gegensatz von der arabischen Welt und den Palästinensern anerkannt. Dann wird neben Israel ein palästinensischer Staat gegründet und es herrscht Frieden. Soweit die Theorie.

Und die Praxis? Ob EU oder UN - alle haben sich an dieser diplomatischen Aufgabe versucht.  In den 1980er-, den 1990er-Jahren oder in diesem neuen Jahrtausend. Ob in Venedig,  Madrid oder Oslo, ob Jimmy Carter oder Bill Clinton. Sie sind allesamt gescheitert. Mal an palästinensischen Maximalforderungen, mal an der israelischen Unnachgiebigkeit. Und in diesen 50 Jahren hat Israel Fakten geschaffen, hat das Heilige Land besiedelt und besiedelt und besiedelt.

Aufgrund der Siedlungspolitik nicht mehr durchsetzbar

Die Folge: Ein unabhängiger palästinensischer Staat ohne israelische Siedlungen ist zwar theoretisch denkbar, praktisch aber nicht mehr durchsetzbar. Denn Israel wird den größten Teil seiner Siedlungen nicht mehr aufgeben. Damit sind Israelis und Palästinensern gleichermaßen die Hände gebunden. Der Teufelskreis ist perfekt, die diplomatische Lösung eine Illusion.

Und dabei ist es inzwischen egal, wer mögliche Lösungen in der Vergangenheit verhindert hat - ob Yassir Arafat oder Ariel Scharon. Einen großen Schritt hat 1977 nur Anwar al-Sadat gewagt. Dafür ist er vermutlich sogar ermordet worden. Alle seine Nachfolger auf beiden Seiten - vielleicht mit Ausnahme des ebenfalls ermordeten Jitzchak Rabin - haben sich dagegen nicht getraut, etwas zu wagen, um Frieden zu bekommen. Und deswegen ist die Vision einer Zwei-Staaten-Lösung in 50 Jahren zur Illusion verkommen. Bloß, wie man Frieden im Nahen Osten - Frieden zwischen Israel und den Palästinensern - erreichen kann, weiß man mit dieser Erkenntnis auch nicht.

Der Nahost-Konflikt bleibt die größte Herausforderung ohne wirkliche Lösung für die internationale Diplomatie.

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