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Politik

Die neue Flexibilität der FDP

17. September 2017

Mit Macht drängen die Freien Demokraten zurück in den Bundestag. Sogar eine Regierungsbeteiligung liegt im Bereich des Möglichen. Warum nicht? Marcel Fürstenau könnte sich das vorstellen.

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Deutschland Bundesparteitag der FDP
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Am 24. September wird die FDP nach vier Jahren in der außerparlamentarischen Opposition in den Deutschen Bundestag zurückkehren. Angesichts stabiler Umfragewerte von knapp unter zehn Prozent ist das alles andere als eine gewagte Prognose. Wesentlich schwieriger ist da schon die Frage zu beantworten, welche Rolle die Partei im Parlament oder sogar in einer künftigen Regierung spielen will? Fingerzeige dafür gab ihr Vorsitzender und Spitzenkandidat Christian Lindner auf dem außerordentlichen Parteitag am Sonntag in Berlin.

"Wir schließen nichts aus", sagte der 38-Jährige am Ende seiner knapp einstündigen Rede. Und: "Mit uns gibt es keine Koalitionsaussage für irgendwas." Spötter werden sagen: Die FDP will sich alle Türen offenhalten. Tatsächlich muss sie sich zwar nicht alle, aber mindestens zwei Türen offenhalten. Denn sollte die Bundestagswahl so ausgehen, wie es die Meinungsforscher seit Wochen vorhersagen, kommen rechnerisch zwei Bündnisse infrage: die Fortsetzung der Großen Koalition aus SPD und Union (CDU/CSU) oder eine Koalition aus Union, Grünen und FDP.

Eine Jamaika-Koalition muss möglich sein

Beide Varianten werden nicht leicht durchzusetzen sein. An der SPD-Basis wächst die Sehnsucht nach einer Zeit der Regeneration in der Opposition. Ein drittes Mal seit 2005 als Juniorpartnerin an der Seite Angela Merkels wollen sich viele ersparen. Ein nachvollziehbarer Wunsch, weil die SPD im Schatten der alles dominierenden Bundeskanzlerin immer schwerer wahrzunehmen ist.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Korrespondent Marcel FürstenauBild: DW

Die Alternative zu Schwarz-Rot wäre Schwarz-Gelb-Grün, also eine Regierung aus Union, FDP und Grünen. Weil sich die beiden kleinen Parteien fast schon traditionell gegenseitig beschimpfen, halten viele eine sogenannte Jamaika-Koalition für ausgeschlossen. Doch bei allen programmatischen und kulturellen Unterschieden könnte der Druck auf die Beteiligten wachsen, ein Bündnis zu schmieden. Dass es möglich ist, zeigt sich am Beispiel Schleswig-Holstein. Auch dort hätte lange kaum jemand geglaubt, dass Schwarz-Gelb-Grün möglich ist. Am Ende kam es trotzdem zustande, weil alle Beteiligten kompromissbereit waren.

Lindner stellt - klugerweise - nur eine Hürde auf

Was das Wahlvolk in einem Bundesland erwarten darf und muss, gilt mehr noch für den Bund: dass die Parteien ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden. Dass die FDP dazu vielleicht auch in Berlin bereit ist, deutete ihr Chef auf dem Parteitag in eben dieser Stadt an. Lindner hätte mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung viele hohe Hürden aufstellen können. Aber er tat es - klugerweise - nicht.

Nur eine absolute Bedingung nannte er: eine neue Einwanderungspolitik. Die hat er schon Ende August im TV-Interview mit der Deutschen Welle skizziert: individuelles Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte, vorübergehender humanitärer Schutz für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und qualifizierte Zuwanderung. Mit diesem Konzept fischt die FDP entgegen manch polemischer Kritik keinesfalls am rechten Rand. Es wäre mit gutem Willen auch für CDU/CSU und Grüne akzeptabel.

Die Schnittmengen sind größer, als es im Wahlkampf scheint

Im Gegenzug müsste die FDP beim Thema Umweltschutz auf die Grünen zugehen und beim Thema Innere Sicherheit auf die Union. Auf diesen Feldern liegt aber weniger Sprengstoff, als gegenseitige Attacken im Wahlkampf vermuten lassen. Auch außenpolitisch dürfte die Schnittmenge groß genug sein. Ob Europa oder NATO - niemand stellt irgendetwas grundsätzlich infrage. Auch beim Umgang mit autoritären Regierungs- und Staatschefs wie Erdogan, Putin oder Trump sollte es keine fundamental unterschiedlichen Vorstellungen geben.

Und noch ein letztes Argument: Wer will am Ende riskieren, dass es wegen fehlender Kompromissbereitschaft untereinander zu vorgezogenen Neuwahlen kommt? Dieses Szenario wäre Wasser auf die Mühlen vor allem der AfD (Alternative für Deutschland). FDP-Chef Lindner will unbedingt verhindern, dass die Rechtspopulisten dritte Kraft im Bundestag werden. Dass sie es werden, ist laut Umfragen aber durchaus möglich. Im Falle einer erneuten Großen Koalition wäre die AfD dann die stärkste Oppositionspartei. Eine Vorstellung, die bei allen anderen Parteien schon jetzt Sorgen auslöst.

Der FDP-Chef wird sich an seinen Worten messen lasen müssen

Verhindern lässt sich dieses Szenario womöglich nur durch ein Jamaika-Bündnis. Der zu erwartende Erfolg der AfD könnte also auch disziplinierende Wirkung auf Union, Grüne und FDP haben. "Wir wollen gestalten und nicht nur protestieren", sagte Lindner auf dem Parteitag eine Woche vor der Bundestagswahl. An diesem Satz wird er sich vielleicht schon am Abend des 24. Septembers messen lassen müssen. Denn er sollte nicht nur für eine FDP in der Opposition gelten, sondern auch für eine auf der Regierungsbank.