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Politik

Spektakel statt Politik

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl
9. Oktober 2016

Über 100 Millionen Menschen werden weltweit im TV zuschauen, wer den schmutzigen Kampf um Sex, Gewalt und Macht gewinnt. Dabei wird es nur eine Verliererin geben: Die demokratische Gesellschaftsordnung, meint Ines Pohl.

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USA Presidentschaftsdebatte - Donald Trump und Hilary Clinton
Bild: Getty Images/AFP/T. A. Clary

Dass Präsidentschaftskandidaten in Debatten gegen ihre Konkurrenten antreten, hat in den Vereinigten Staaten von Amerika eine jahrhundertelange Tradition. Abraham Lincoln beispielsweise gilt als einer der besten dieser Kunst. Von ihm stammt die wohl bekannteste Definition von Demokratie, die er versteht als "government of the people, by the people, and for the people", also als eine Regierungsform, die vom Volk ausgeht, durch und für das Volk ausgeübt wird.

An diesem Sonntag wird es wieder eine Debatte geben, in der Hillary Clinton und Donald Trump mit Worten um den Einzug ins Weiße Haus kämpfen. Vor einem weltweiten Publikum. Über hundert Millionen Zuschauer werden erwartet. Amerikanische TV-Kommentatoren sprechen von einem Superbowl-Ereignis, dem größten Fernsehspektakel in diesem Land.

Gewalt, Macht und Sperma

DW Mitarbeiterin Ines Pohl
Ines Pohl, DW-Korrespondentin in WashingtonBild: DW

Und leider haben sie Recht damit. Denn die allermeisten Menschen werden nicht vor den Bildschirmen sitzen, um zu erfahren, wer die besseren Konzepte hat, um die massiven Probleme dieses Land zu bewältigen. Sie wollen nicht wissen, welche Ideen es gibt, um das tägliche Morden in Aleppo zu stoppen, oder den Tausenden von Flüchtlingen zu helfen, die im Mittelmeer ertrinken, weil sie auf der Flucht und der Suche nach einem besseren Leben sind.

Sie wollen Gewalt und Macht und Sperma. Sie wollen live dabei sein, wenn Donald Trump sich für seine schändlichen Äußerungen über Frauen rechtfertigen muss. Und wollen sehen, welche Strategie er fährt, mit dem ehebrechenden Bill Clinton seiner Konkurrentin Hillary Clinton zu schaden. Nach der Veröffentlichung des Videos steckt Trump in einer Krise, die er mit politischen Argumenten nicht überwinden kann. Nur mit einer guten Show. Die Menschen wollen sehen, wer zuerst die Beherrschung verliert. Und hoffen auf bestes Krawallfernsehen. Dort ist der Wahlkampf um das wichtigste politische Amt angekommen.

Vorbote für andere Länder

Das sagt viel aus über den Zustand der amerikanischen Gesellschaft. Und ist auch ein Vorbote für die Entwicklung in anderen Ländern. Machen wir uns nichts vor: Die große Frage ist, wohin Demokratien sich in dieser Welt der Zersplitterung in Social-Media-Gruppen und eindimensionaler Massenmedienkultur entwickeln. Was passiert, wenn Regierungen von Menschen gewählt werden, die kein Interesse mehr haben an Politik, sondern nur noch Spektakel wollen? Was bedeutet es, wenn nur noch die Lautesten gehört werden? Wenn nur noch die einfachsten Sündenbocktheorien als politische Konzepte erfolgreich sein können? Und es keine Eliten gibt, die Antworten auf diese existentiellen Fragen finden?

Wie andere Demagogen vor ihm ist Donald Trump nur ein Phänomen seiner Zeit. Und dieses Phänomen wird nicht vorbei sein, wenn der Wahlkampf zu Ende ist.

Schade, dass Abraham Lincoln nicht mitdiskutieren kann. Es wäre spannend zu hören, wie seine Definition von Demokratie heute aussehen würde.