Es ist ein Akt der Symbolpolitik: Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste extra nach Marrakesch, nur um durch ihre Anwesenheit zu demonstrieren, dass Deutschland den Migrationspakt der Vereinten Nationen unterstützt. Die Bundesregierung hätte das auch weniger aufwändiger demonstrieren können. Viele andere Staaten schickten deutlich rangniedrigeres Personal. Doch für die Kanzlerin ist der Pakt aus zwei Gründen bedeutsam: Zum einen wird erstmals auf globaler Ebene eine umfassende Vereinbarung zur Migration getroffen. Zum anderen war die Debatte darüber von Lügen und bewusster Stimmungsmache geprägt.
Eine breite Koalition von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten von Steve Bannon über Marine Le Pen bis hin zu Viktor Orban und Matteo Salvini sieht in dem Papier einen "Pakt des Teufels". Oder wie es der AfD-Abgeordnete Martin Hebner ausdrückte, der das Papier im Bundestag als "Pakt zur Aufhebung der Grenzen" bezeichnete, das eine "nie dagewesene Völkerwanderung" auslöse. Befeuert wurde dieser Propagandafeldzug in den sozialen Medien: Mehr als ein Viertel aller Tweets zum Migrationspakt stammten von Social Bots, also Computerprogrammen, die sich als reale Menschen ausgeben. Sie verbreiteten Behauptungen, wonach die Bundesregierung versuche, die Bevölkerung gezielt über den Pakt zu täuschen, um eine massenhafte Einwanderung zu ermöglichen. Reine Verschwörungstheorien also.
Das Ziel: Diffuse Ängste schüren
Begleitet wurde diese propagandistische Offensive durch Artikel auf rechtsgerichteten Plattformen von "Breitbart" bis zur "Jungen Freiheit". Dass der Pakt rechtlich nicht bindend ist und vor allem die Arbeitsmigration regelt, ist für die Rechten gleichgültig. Ihnen geht es vor allem darum, diffuse Ängste zu schüren.
Dabei ist Migration seit Jahrhunderten in vielen Teilen der Welt selbstverständliche Realität. Die USA, die den Pakt ablehnen, sind ein Paradebeispiel dafür – mitsamt einem Präsidenten an der Spitze, der Enkel eines deutschen Einwanderers ist und der mit einer slowenischen Migrantin verheiratet ist. Deutschland ohne Arbeitsimmigranten wäre niemals Exportweltmeister geworden. Dass die weltweit gut 250 Millionen Migranten nicht die unproduktivsten sind, belegt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey: Denn sie repräsentieren drei Prozent der Weltbevölkerung, erarbeiten aber zehn Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
Der Migrationspakt trägt dieser Realität lediglich Rechnung: Es geht in ihm zwar auch um die Bekämpfung von Fluchtursachen und Schlepperbanden, im Wesentlichen aber sollen bürokratische Hindernisse abgebaut werden, etwa bei der Anrechnung und Übertragung von Ansprüchen der Sozialversicherung oder es wird die Absicht formuliert, die hohen Kosten für Auslandsüberweisungen zu senken.
Doch mit Sachfragen halten sich die rechten Gegner des Paktes nicht auf. Ihnen geht es ums Prinzip. Dabei wird von ihnen gerne vertuscht, dass der Gegensatz zu einer offenen, multilateralen Weltgesellschaft nur die Vielzahl ethnisch klar abgegrenzter Nationalstaaten sein kann – die Nürnberger Rassengesetze der Nationalsozialisten grüßen hämisch aus der Ferne. Der Kampf wird deshalb weitergeführt werden und das nächste Spielfeld steht auch schon fest. Es ist die Europawahl im Mai 2019. Da ist es gut, wenn zumindest die Bundeskanzlerin schon jetzt Stellung bezogen hat.