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Der Hunger hält reiche Ernte

Karl Zawadzky3. Juni 2008

Mit dramatischen Appellen hat der Ernährungsgipfel der Vereinten Nationen in Rom begonnen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte "kühne Maßnahmen", um den Ursachen des Hungers zu begegnen. Karl Zawadzky kommentiert.

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Bild: DW

Der Hunger in den armen Ländern ist einer der großen Skandale unserer Zeit. Denn es ist keineswegs den begrenzten Ressourcen der Erde geschuldet, dass 850 Millionen Menschen nicht genug zu essen haben, dass Tag für Tag Kinder verhungern. Dabei steigt der Bedarf an Nahrungsmitteln. Denn die Zahl der Menschen nimmt pro Jahr um mehr als 80 Millionen zu.

Appelle an die Industriestaaten genügen nicht

Bis 2050 wird die Weltbevölkerung voraussichtlich um die Hälfte auf dann neun Milliarden Menschen ansteigen. Über 90 Prozent der neuen Erdenbürger werden in der Dritten Welt geboren, die unter einer chronischen Ernährungskrise leidet. Die Krise hat sich durch den steilen Anstieg der Nahrungsmittelpreise in jüngster Zeit dramatisch verschärft. Recht hat UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, der auf dem Ernährungsgipfel der Vereinten Nationen am 03.06.2008 von der internationalen Staatengemeinschaft "kühne und wichtige Maßnahmen" im Kampf gegen den Hunger verlangte. Doch mit einem Appell an die Industriestaaten ist dem Problem nicht beizukommen - Strukturveränderungen sind nötig.

Der Wohlstand der einen führt zum Elend der anderen


Die Ursachen der Ernährungskrise liegen - abseits von Naturkatastrophen - in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fehlentwicklungen. Fehlernährung, massenhafter Hunger und Hungertod sind nicht naturgegeben. "Das Problem ist nicht so sehr ein Mangel an Nahrungsmitteln als vielmehr ein Mangel an politischem Willen", hat die UNO-Welternährungsorganisation FAO bereits vor mehr als zwanzig Jahren geklagt. Der Wohlstand der einen ist der Grund für das Elend der anderen.

Zum Beispiel: Der steigende Fleischverzehr des reicheren Teils der Weltbevölkerung - stark zunehmend in den Schwellenländern - bedingt, dass ein höherer Anteil der Nahrungsmittel verfüttert, also für die Fleischproduktion eingesetzt wird. Der Biosprit nimmt Flächen in Anspruch, die dann für die Erzeugung von Nahrungsmitteln fehlen. An der Warenterminbörse in Chicago machen Hedge-Fonds Millionen mit Ernten, für die noch nicht einmal die Aussaat erfolgt ist. Natürlich ist auch für die armen Länder das Rohöl teurer geworden, was sich in gestiegenen Preisen für Düngemittel und Transporte niederschlägt.

Falsche Politik und Misswirtschaft


Doch der wichtigste Grund für den Hunger ist die Armut. Fast die Hälfte der Menschheit muss mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen; ein Fünftel muss sogar von weniger als einem Dollar pro Tag ein elendes Leben fristen. Es sind diese Menschen, die sich abends mit hungrigem Magen schlafen legen, die mangel- oder fehlernährt sind, die ihre Kinder nicht ernähren können. Überall dort, wo Regierungen mit Erfolg eine Politik betreiben, die auf breiter Front zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen beiträgt, nimmt der Hunger ab.

Wo dagegen Diktatur und politische Willkür herrschen, fährt der Hunger reiche Beute ein. Simbabwe, das früher Nahrungsmittel exportierte und heute auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist, steht beispielhaft für Länder, die durch falsche Politik und Misswirtschaft an den Abgrund geraten sind. Dagegen ist in China und Indien in der Folge der wirtschaftlichen Entwicklung die Zahl der Hungernden wesentlich reduziert worden. In Afrika ist diese Zahl gestiegen.

Mehr Beschäftigung und Kaufkraft als Lösung


Weil die Menschen arm sind, weil es an kaufkräftiger Nachfrage mangelt, besteht für die Bauern wenig Anreiz zu einer erhöhten Nahrungsmittelproduktion. Wo dagegen kaufkräftige Nachfrage besteht, mangelt es nicht am entsprechenden Angebot. Die wichtigste Einzelmaßnahme zur Lösung des Hungerproblems besteht darin, mehr Beschäftigungsmöglichkeiten und darüber kaufkräftige Einkommen zu schaffen.

Die Entwicklungsländer müssen ein Umfeld schaffen, in dem die private Initiative sich entfalten kann. Sie müssen – wie in China und Indien geschehen – die Weichen für ihre Wirtschaft so stellen, dass die private Initiative angefacht wird. Doch auch die Industriestaaten sind gefordert. Sie müssen ihre Agrarmärkte öffnen und aufhören, mit der Verwertung ihrer Überschussproduktion die Märkte in der Dritten Welt zu zerstören. Nahrungsmittelspenden sind bei akuten Katastrophen überlebenswichtig. Aber noch wichtiger ist, mit strukturellen Reformen dem Hunger den Boden zu entziehen.
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