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Der ewige Präsident

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Juri Rescheto
12. Oktober 2015

Die Weissrussen haben Alexander Lukaschenko zum fünften Mal zu ihrem Präsidenten gewählt. Diese Wahl war eine Inszenierung in bester sowjetischer Manier, meint Juri Rescheto.

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Weißrussischer Präsident Alexander Lukaschenko (Foto: Maxim Malinovsky/AFP/Getty Images)
Bild: Maxim Malinovsky/AFP/Getty Images

Nein, was sind wir überrascht! Batka bleibt Batka, das Väterchen, wie Alexander Lukaschenko in seiner Heimat genannt wird, bleibt Präsident aller Weissrussen. Mehr als 80 Prozent - dieser Sieg erinnert mich an meine Kindheit. Ich wurde nämlich auch in der Sowjetunion geboren, wie Alexander Lukaschenko. Und ich fühle mich heute, 40 Jahre später, zurückversetzt in alte Zeiten, als die Kommunisten ebenfalls mit mehr als 80 Prozent ihre schön inszenierten Wahlen gewannen.

Ich sah die gleichen festlich geschmückten Autos mit den gleichen Lautsprechern durch die gleichen ziemlich leeren Straßen von Minsk fahren und Menschen zur Wahl aufrufen. Ich sah die gleichen Fernsehreportagen, die im Staatsfernsehen vermeintliche Erfolge des seit mehr als zwei Jahrzehnten regierenden Batka lobten, die gleichen Läden in der Nähe der Wahllokale, die mit Rabatten Menschen an die Urnen lockten, die gleichen Pop-Konzerte, die zum Dank für jede abgegebene Stimme fürs Volk inszeniert wurden. Fahnen hoch, hurra, am Wahlabend ein Feuerwerk!

Schön sowjetisch, schön undemokratisch

Und so schön sowjetisch diese Wahlen organisiert wurden, so schön undemokratisch waren sie auch! Ja, es gab eine Opposition. Ganze drei Kandidaten, die aber völlig schwach und unbekannt waren. Ja, die durften im Fernsehen auftreten, aber ohne vorherige Ankündigung und zu einer unmöglichen Sendezeit. Ja, es gab ein paar tausend Protestierende mitten in Minsk, aber nur für ein paar Stunden.

Und das weißrussische Gesetz, wonach Menschen ohne Nennung der Gründe bereits ab 6. Oktober, also fünf Tage vor der Wahl ihre Stimme abgeben durften, hat Lukaschenko geholfen, unkontrolliert Stimmen zu sammeln. Denn beobachtet wurde diese Stimmabgabe von keinem einzigen internationalen Beobachter. Die kamen nämlich erst am 8. Oktober ins Land. Da waren aber schon fast 20 Prozent der Stimmen abgegeben - und irgendwie gezählt. Der Fairness halber muss man sagen, dass auch die Opposition Fehler gemacht hat: kein gemeinsamer Kandidat, keine Strategie, viel zu loyal zur Regierung.

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Juri Rescheto, Leiter DW-Studio Moskau

Und so bleibt den Weißrussen ihr omnipräsenter Batka, der ewige Präsident Lukaschenko. Und Weißrussland bleibt nach einer unfairen Wahl undemokratisch mitten in Europa. Überrascht? Ach was!

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Juri Rescheto Chef des DW-Büros Riga