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Der böse Horst beim bösen Viktor

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
Kay-Alexander Scholz
4. März 2016

Ob wie neulich nach Moskau oder wie jetzt nach Budapest - wenn Bayerns Ministerpräsident ins Ausland reist, erntet er beißende Kritik. Kay-Alexander Scholz meint: Horst Seehofers Kritiker machen es sich zu einfach.

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Horst Seehofer und Viktor Orban
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Als vor einigen Jahren die US-Regierung von Georg W. Bush eine "Achse des Bösen" in die Welt malte, war die Kritik in Deutschland enorm. Man könne doch die Welt nicht wie in einem Märchen in gut und böse einteilen. Zu Recht wurde dieses Vorgehen als unpolitisch kritisiert.

Der vermeintliche Märchenonkel im Weißen Haus aber zeigte alsbald sein wahres Gesicht und begann Krieg zu führen gegen die angeblich so bösen. Man muss also vorsichtig sein, so lautet wohl eine Lehre aus dieser Zeit, wenn Politiker beginnen, die Welt in Schwarz und Weiß einzuteilen. Hinter der vordergründig ethisch-moralischen Argumentation verbirgt sich allzu oft ein anderes Kalkül.

Gut und böse in der Flüchtlingskrise

Im Zuge der Flüchtlingskrise hat sich diese Unsitte leider auch in der deutschen Politik und in den hiesigen Medien ausgebreitet. Wer der Willkommenskultur nicht folgen wollte, wurde als "Böser" in die Ecke gestellt. Umso heftiger war auf der anderen Seite die eigene moralische Überhöhung. Dahinter steckte der Wunsch, Macht über die öffentliche Debatte zu gewinnen. Ein paar Monate später sind die Folgen sichtbar: Die Rechtspopulisten sind enorm stark geworden, die Medien erleben eine bisher beispiellose Vertrauenskrise - insbesondere auf dem Gebiet der Berichterstattung über Flüchtlinge.

An Horst Seehofer klebt derzeit das Etikett des offiziellen Bösewichts in der deutschen Politik. Wie kann er es nur wagen, nach Moskau oder nach Budapest zu fahren, zu den noch viel böseren Bösewichten im europäischen Ausland, schimpfen Opposition und Sozialdemokraten. Er hintertreibe so die Politik der Kanzlerin. Warum er dorthin geht - und ob seine Reisen mit Angela Merkel abgestimmt sind, das wird nicht diskutiert. Man darf mit den Schmuddel-Kindern ganz einfach nicht spielen. Als gehöre es nicht zum politischen Grundverständnis, auch mit denen im Dialog zu bleiben, die man gerade nicht so toll findet. Verschwiegen wird auch, wie normal und häufig solche Reisen von deutschen Länderchefs sind. Der erhobene Zeigefinger verdeckt die eigene Motivation, politisches Kapital für die eigene Person oder Partei daraus ziehen zu wollen.

Kommentarfoto Kay-Alexander Scholz Hauptstadtstudio
Kay-Alexander Scholz ist Korrespondent im HauptstadtstudioBild: DW/S. Eichberg

Deutsche Untugenden kommen wieder zum Vorschein

Doch wie immer bleibt bei einer Gut-Böse-Diskussion der Inhalt auf der Strecke. Was passiert, wenn Merkels europäischer Weg in der Flüchtlingskrise versperrt bleibt oder die Türkei nicht mitspielt? Wieso eigentlich wehren sich die osteuropäischen Länder so gegen Kontingente und die als solche empfundene Bevormundung aus Brüssel oder Berlin? Und gehört es nicht zum demokratischen Streit dazu, sich über verschiedene Wege zur Lösung eines Problems den Kopf zu zerbrechen? Also auch einmal andere Meinungen zu hören? Manchmal entsteht in der gegenwärtigen Debatte den Eindruck, dass bestimmte deutsche Untugenden die Sache noch viel schlimmer machen: die Arroganz und Rechthaberei, der Untertanen-Geist und die mangelnde Fehlerkultur.

Zumindest in den deutschen Medien scheint inzwischen ein wichtiger Reflexionsprozess begonnen zu haben. Beim "Mainzer Medien Disput" haben jüngst einflussreiche Chefredakteure ganz selbstkritisch über die Vertrauenskrise der Medien diskutiert, die sich unter dem Schlagwort "Lügenpresse" zusammenfassen lässt. In der Politik wird dieser Prozess wohl direkt nach den Landtagswahlen beginnen, bei denen sich ziemliche Verschiebungen in der Parteien-Ordnung abzeichnen.

Noch ein letztes Wort zu den Bayern. Die enge Freundschaft zu den Ungarn ist nichts Neues, sondern folgt einer Tradition: 1956, nach der Niederschlagung des Aufstands durch die Sowjetarmee, sind in Bayern abertausende Flüchtlinge aus Ungarn untergekommen. Sie wurden damals willkommen geheißen und sind inzwischen bestens integriert.

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