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Politik

Ein Auftrag für alle

11. April 2018

Der Diplomat Felix Klein ist zum ersten Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung ernannt worden. Doch allein kann er der Aufgabe gar nicht gerecht werden, meint Christoph Strack.

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Deutschland Chanukka-Leuchter auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Ein Diplomat ist der erste Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung. Das passt. Felix Klein, bislang Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für die Beziehungen zu jüdischen Organisationen und für Antisemitismusfragen im Botschafter-Rang, wechselt für den neuen Posten ins Bundesinnenministerium.

Das hat lange gedauert. Forderungen nach einem Bundesbeauftragten zum Thema Antisemitismus gibt es seit Jahren. Das ist logisch, angesichts wiederholter skandalöser Vorfälle in Schulen, brennender israelischer Fahnen, Sachbeschädigungen auf Friedhöfen oder an Synagogen, Verharmlosung - ja, sogar Leugnung! - der Shoa durch Politiker, beunruhigenden Umfragen zur Einstellung der Bevölkerung. Repräsentanten der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland haben lange Zeit gefordert, einen solchen Beauftragten direkt im Kanzleramt anzusiedeln. Nun wird es zwar ihr Favorit Felix Klein, aber er wird organisatorisch im Innenministerium angebunden sein.

Ein "Beauftragter für", nicht nur "gegen"

Im Koalitionsvertrag schrieben Union und SPD fest, dass sie "eine/n Beauftragte/n der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus einsetzen" wollen. In der öffentlichen Debatte der vergangenen Monate ging es meist um den Aspekt der Beauftragung "gegen Antisemitismus". Ja, das ist verständlich. Aber das ist nicht alles. Felix Klein ist - und das nennt der Koalitionsvertrag an erster Stelle - der "Beauftragte für jüdisches Leben in Deutschland". Das ist seit vielen Jahren ein deutlich breiter gewordenes Spektrum: mit Gemeinden unterschiedlicher Prägung; mit entschieden säkularen Juden; neuerdings auch mit der Ausbildung liberaler, konservativer und orthodoxer Rabbiner; mit einer übrigens wachsenden Zahl jüdischer Schulen; auch mit vielen Kulturschaffenden und, übrigens, tollen Restaurants. Dieses Engagement "für" steht für die Zukunftsfestigkeit jüdischen Lebens im Land der Shoa.

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Christoph Strack ist Korrespondent im HauptstadtstudioBild: DW

Aber der "Kampf gegen Antisemitismus" wird wichtiger angesichts der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in Deutschland. Dabei darf es nicht um bloße Rituale der Solidarität gehen. Nein, die schulische Bildung ist da genauso gefragt wie die Integrationsarbeit mit Geflüchteten und Migranten, wie die freimütige Thematisierung heißer Eisen. Der einzige bislang auf der Ebene der Bundesländer aktive Antisemitismus-Beauftragte (in Baden-Württemberg) beeindruckt da. Und Klein wird, wie man ihn in seinem bisherigen Tätigkeitsfeld im Außenamt erlebte, ähnlich souverän auftreten können.

Die Bundesregierung hat übrigens Dutzende Beauftragte - für wichtigere und unwichtigere Bereiche, gelegentlich auch eher als Symbolpolitik. Ihr Ansehen in der Bevölkerung hängt auch davon ab, was sie aus ihrem Amt machen. Im besseren Fall sind sie einem größeren Kreis auch jenseits des politischen Betriebs in Berlin bekannt. Selbstverständlich ist das nicht. Obwohl die Beauftragung jedem und jeder auch den nötigen Freimut geben sollte, nach innen und außen offen zu sprechen.

Bei diesem Innenminister in guten Händen

Nach allen Spekulationen, wer das neugeschaffene Amt wohl übernehmen würde, traf der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer am Montag Felix Klein sowie den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Sein Haus ließ am Abend ein Foto der drei mit der Ankündigung verbreiten, dass Seehofer dem Bundeskabinett Felix Klein vorschlagen werde. Dieses Treffen war ein gutes Zeichen. Denn der Innenminister ist eben auch der "Religionsminister". Und wenn Horst Seehofer sich dieser Themen in der ihm eigenen Art annimmt, schadet das nicht und wird auch dem Antisemitismusbeauftragten helfen.

Aber eins muss allen klar sein: Ein Beauftragter ist eine Symbolfigur. Er hat durchaus Zugang zu seinem Chef. Aber er ist nicht derjenige, der anderen - seien es Politiker, sei es die Gesamtgesellschaft - die Arbeit und die Verantwortung abnimmt. Nein. Jeder Politiker, jeder Bürger in Deutschland ist dafür verantwortlich, sich Antisemitismus entgegenzustellen. Die erste Ernennung eines Beauftragten auf Bundesebene zeigt nur, wie dramatisch wichtig das heutzutage ist.

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